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Alles urban, oder was?

Die Marketingmaschine mit der Begrifflichkeit „des Städtischen“ läuft auf Hochtouren, und man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, alles sei „urban“.

Wenn man im Supermarkt bei vorsommerlichen Temperaturen nach erfrischenden alkoholfreien Säften Ausschau hält, erkennt man, dass diese „Urban Drinks“ genannt werden. Sucht man im Internet auf Anbieterseiten nach einem Ferienhaus, wo man den nächsten Urlaub verbringen will, so heißt der diesbezügliche Suchbegriff häufig „Urban Living“. Möchte man in Möbelhäusern Accessoires für das Eigenheim besorgen, und seien es nur Teelichter, kann man auf Preisschildern von „Urban Housing“ lesen. Kulturangebote für junge Menschen wiederum nennen sich häufig „Urban Art Forms“, „Urban Art Sessions“ oder „Urban Art Festivals“.

Aber auch die Hersteller von Hautcremen wollen nicht auf die entsprechende Zuschreibung verzichten: Sowohl „Urban Skin“ als auch die „Urban Detox Maske“ scheinen marketingpolitisch für den modernen Stadtmenschen unverzichtbar zu sein. Da kann natürlich die Nahrungsmittelindustrie nicht zurück stehen. „Urban Superfoods“ versprechen gesunde Ernährung und gleichzeitig Gewichtsreduktion.

Als kritischer Bürger und erst recht als Stadtforscher muss man sich aber die Frage stellen, was dies alles tatsächlich mit urbanem Leben zu tun hat. Abseits von Werbestrategien und verkaufsfördernden Maßnahmen ist in Fachkreisen unstrittig, dass ab dem Mittelalter urbanes Leben Motor der Gesellschaft war und die „Zukunft der Menschheit in den Städten liegt“ (Kofi Annan).

Urban Living bedeutet, nicht permanent im Stau zu stehen, der städtischen Überhitzung Einhalt zu gebieten, nicht im Smog zu ersticken, Diversität zu leben und auf ein reichhaltiges Kulturangebot zurückgreifen zu können. Die Stadt der Zukunft muss intelligente und nachhaltige Lösungen anbieten, die einer immer stärker wachsenden Zahl an Menschen ein würdiges, gesundes und erbauliches Leben ermöglichen. Selbstfahrende Autos, digitale Systeme, Apps und Automation sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu eben diesem. Wenn dann noch obendrein die Hautcreme urban ist, soll es uns recht sein.

Autor: Bernhard Müller, BA, MPA

Generalsekretär Urban Forum – Egon Matzner-Institut für Stadtforschung

www.urbanforum.at