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Vertrauen in den Standort stärken

public wollte wissen wie Wirtschaftsminister Mitterlehner die aktuellen Herausforderungen der Wirtschaft sieht.

public: Von 28 EU-Staaten hat Österreich die siebtniedrigste (an 21. Stelle) Wachstumsrate, die fünfthöchste Steuern- und Abgabenquote und die am zweitschnellsten steigende Arbeitslosigkeit. Wie wollen Sie diese Entwicklung stoppen, wie soll Wachstum erreicht werden?
Reinhold Mitterlehner: Aktuelle Rankings zeigen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich attraktiv ist, aber noch viel mehr Potenzial hätte. Das wollen und müssen wir heben. Durch Bürokratie-Abbau, ein modernes Arbeitsrecht und ein gutes Umfeld für private Investitionen. Zusätzlich muss Schluss sein mit der Debatte über neue Belastungen wie die Maschinensteuer. Denn Vertrauen ist immer noch die stärkste Währung für den Aufschwung.

public: Die Liberalisierung und Globalisierung bieten Chancen. Sie waren in der Vergangenheit der Grund für Fortschritt und Wohlstand. Doch sie können nur funktionieren, wenn faire Spielregeln für alle gelten, wenn auch Starbucks, Amazon und Google Steuern zahlen und Handelsverträge auf Augenhöhe abgeschlossen werden. Welche Schritte setzt die Regierung in diese Richtung?
Mitterlehner: Globalisierung und Digitalisierung sind für ein innovatives exportorientiertes Land wie Österreich eine große Chance, keine Bedrohung. Auch von internationalen Handelsverträgen haben wir in Summe immer profitiert, mit mehr Wohlstand und Arbeitsplätzen. Wer die Globalisierung mit verbindlichen Spielregeln gestalten will statt passiv im Abseits zu stehen, muss für gut gemachte Abkommen sein. Ansonsten wird Europa im globalen Wettbewerb hinter andere aufstrebende Weltregionen zurückfallen. Abschottung löst keine Probleme, sondern verschärft sie.


Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Bildnachweis: BMWFW/Ringhofer

public: Das derzeitige Wirtschaftswachstum geht zu zwei Drittel auf einen höheren Konsum und zu einem Drittel auf höhere Investitionen zurück. Die Effekte der Steuerreform verpuffen langsam aber sicher wieder. Wie soll es weitergehen?
Mitterlehner: Unsere Steuerreform wirkt und stützt die Konjunktur, wie alle Wirtschaftsforscher bestätigen. Konsum und Investitionen werden belebt. Neu ist eine Investitionszuwachsprämie für Klein- und Mittelbetriebe. Wer stärker in den Standort investiert als im Schnitt der vergangenen Jahre, wird abhängig von der Betriebsgröße mit einem Zuschuss belohnt. Zusätzlich treten wir dafür ein, die „Kalte Progression“ abzuschaffen, um schleichende Steuererhöhungen in Zukunft zu verhindern und die Menschen zu entlasten.

public: Die ÖVP will ein flexibleres Arbeitszeitmodell, das Arbeitstage mit 12 erlaubt. Der ÖGB fordert hingegen eine Arbeitszeitverkürzung. In Deutschland arbeiten Vollzeitbeschäftigte im Schnitt 43,5 Stunden pro Woche. Dort klagt aber auch bereits jeder Achte von Arbeitspensum überfordert zu sein. Zudem sind hierzulande fast 400.000 Menschen arbeitslos. Wie löst man diese Widersprüche auf?
Mitterlehner: Den Widerspruch sehe ich nicht. Flexible Arbeitszeiten tragen dazu bei, dass unsere Betriebe wettbewerbsfähig bleiben und Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. Mein Grundprinzip ist: Arbeit dann, wenn Arbeit anfällt, ohne die Gesamtarbeitszeit zu erhöhen. In diesem Sinne setzen wir uns für die im Regierungsprogramm mit der SPÖ vereinbarte Lösung ein. Die Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeiten soll also nur dann gelten, wenn im Betrieb ohnehin schon Gleitzeit vereinbart ist. Die Wochenarbeitszeit bliebe gleich. Es geht also weder um die Verpflichtung, dass alle zwölf Stunden am Tag arbeiten müssen, noch um eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer. Mitarbeiter profitieren durch mehr Jobsicherheit und längere Freizeitblöcke. Überstunden würden wie bisher gezahlt.

public: Einige Experten sagen, dass das österr. Modell mit seinen Kollektivverträgen ausgedient hat, weil es zu starr ist und keine flexiblen Lösungen zulässt. Doch wo endet die Flexibilität? Steuern wir auf Arbeit auf Abruf zu?
Mitterlehner: Das dichte Netz an Kollektivverträgen ist in Summe eher ein Vorteil für den Standort Österreich, gerade wenn es um die Vermeidung von Arbeitskonflikten und der Schulterschluss der Sozialpartner bei Fragen der Entlohnung, Produktivität und Arbeitsbedingungen geht. Dennoch brauchen wir die angesprochenen Spielräume bei der Arbeitszeit auch direkt im Gesetz und nicht nur in den Kollektivverträgen mit jeweils branchenmäßig erkauften Lösungen. Das wäre ein Fortschritt und lässt sich so gestalten, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren.