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"Gesellschaftspolitisch durchlüftet und entstaubt"

Heuer vor 65 Jahren hielt der damalige französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai seine berühmte Rede, die den Grundstein der heutigen Europäischen Union legte. Es ist aber nicht nur ein runder Geburtstag für die EU, sondern auch für Österreich, das in diesem Jahr auf eine 20-jährige Mit- gliedschaft zurückblicken kann. Ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen.  Lesen Sie hier wie diese aus Sicht der österreichischen Europa-Abgeordneten ausfällt.

Ulrike Lunacek / Grüne - Vizepräsidentin des Europaparlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen

"Seit 20 Jahren sitzen wir mit am EU-Tisch und bestimmen mit – auch wenn Österreichs Regierungsvertreter zuhause gerne die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen „Brüssel“ in die Schuhe schieben. Den größten Gewinn für Österreich sehe ich darin, dass das Land gesellschaftspolitisch durchlüftet und entstaubt wurde. Und wir haben natürlich auch wirtschaftlich von der EU-Mitgliedschaft und zentralen Lage in Europa profitiert. Doch obwohl wir uns gerne als das Land im Herzen Europas bezeichnen, ist Europa vielfach nicht in den Herzen der Österreicher angekommen. Mitschuldig daran ist, dass die EU als Problem und nicht als Schlüssel zur Bewältigung der Krisen angesehen wird. Die Reise muss in ein sozialeres, demokratischeres und ökologischeres Europa gehen – dann werden auch die Menschen in Österreich mitkommen. In Zukunft sollte auch jede und jeder 15-18-Jährige die Chance zu einer „Brüsselwoche“ haben – das ändert erfahrungsgemäß das Bewusstsein und schafft emotionale Bindungen an die EU."

 

Heinz K. Becker / ÖVP - Mitglied des Europäischen Parlaments, Generalsekretär des Österreichischen Seniorenbundes

"Das Jubiläum "20 Jahre EU-Beitritt" ist ein Anlass, nicht weiter zulassen zu dürfen, dass notorische Miesmacher in Politik und Medienlandschaft die historischen Tatsachen leugnen: Mit dem EU-Beitritt 1995 begann Österreichs einzigartiger Erfolgskurs zu einem der erfolgreichsten und sichersten Länder Europas, ja sogar der ganzen Welt: In nur 20 Jahren erreichte unser Heimatland einen Spitzenrang in Wirtschaftskraft, Exportleistung, Arbeitsplätzen, Berufsbildung,  Kaufkraft, sozialer Sicherheit und Lebensqualität. Die Hauptgründe dafür liegen zu allererst im Fleiß der Österreicherinnen und Österreicher, ob als Angestellte, Beamte, Bauern oder Unternehmer, die entschlossen und tatkräftig die neuen Chancen in der EU und insbesondere die Erweiterung in Ost- und Südosteuropa genützt haben. Unsere Regierungen, gemeinsam mit den „alten und neuen“ Sozialpartnern, also inklusive der Generationenvertreter von Jung und Alt, konnten diesen politischen Weg bestmöglich meistern. Im Europaparlament vertrete ich als Sozial- und Sicherheitssprecher der ÖVP-Delegation nicht nur die Interessen der österreichischen Bürgerinnen und Bürger, sondern erhalte hier auch sehr genaue Kenntnis von den aktuellen Entwicklungen in Europa - und die Konsequenzen für die Zukunft Österreichs sind glasklar: Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen, die Zeiten haben sich rasch geändert - ab sofort braucht unser Land einen Reformschub, um auch in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaft, Bildung, Forschung zu erhalten. Und Reformen, um die sozialen Systeme für Pensionen, Gesundheitsversorgung und Pflege zu sichern. Erst seit kurzem ist endlich ein frischer Wind unter Führung unseres Vizekanzlers  spürbar, die anstehenden Strukturreformen anzupacken, Schuldenabbau und langfristige Budgetsanierung in Angriff zu nehmen und effiziente Verwaltungen auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene zu schaffen. Also auf geht’s! Unser Ziel muss sein: Ein starkes Österreich in einem starken Europa – gestalten wir gemeinsam die erfolgreiche Zukunft!"

 
Eugen Freund / SPÖ - Mitglied des Europäischen Parlaments

"Kaum ein anderes Mitgliedsland der Europäischen Union hat vor zwanzig Jahren der EU derart großes Vertrauen geschenkt wie Österreich. Aber was ist von diesen Vorschusslorbeeren übrig geblieben? Wirtschaftlich war die Einbindung in die europäische Staatengemeinschaft eindeutig ein Gewinn, was sich allein an den alljährlich steigenden Exporterfolgen und an der damit verbundenen hohe Beschäftigungsquote ablesen lässt. Wirtschaftlich schwache Regionen haben großzügige Förderungen der EU erhalten. Andererseits - und das haben wir immer kritisiert - hat sich die EU in Bereiche eingemischt, die durchaus im oder vom Staat oder in der Region gelöst hätten werden können - gerade das hat oft zur Miss-Stimmung gegenüber "den Bürokraten in Brüssel" geführt. Europa ist und war aber auch ein Friedensprojekt, das gilt es besonders herauszustreichen, vor allem auch in Hinblick auf den jüngsten Konflikt in der Ukraine. Ein Mitglied einer großen Gemeinschaft ist im Konfliktfall eindeutig besser aufgehoben als allein."

 
Angelika Mlinar / Neos - Mitglied des Europäischen Parlaments

"Die EU ist, trotz manch be­rech­tig­ter Kri­tik, nach wie vor DIE Er­folgs­ge­schich­te un­se­res Kon­ti­nents. Nur als Mit­glied kön­nen wir an der Ge­stal­tung Eu­ro­pas mit­ar­bei­ten und die uns am Her­zen lie­gen­den Op­ti­mie­run­gen vor­an­trei­ben. Ge­ra­de die ak­tu­el­len Er­eig­nis­se nah an den EU-Gren­zen zei­gen ei­nen wich­ti­gen Punkt auf: Die EU ist der Si­cher­heits- und Sta­bi­li­täts­ga­rant für Ge­ne­ra­tio­nen und mehr als eine Wirt­schafts­ge­mein­schaft. Die Fi­nanz­kri­se wie­der­um hat ge­zeigt, wie wich­tig die ge­mein­sa­me Wäh­rung – spe­zi­ell für klei­ne­re Volks­wirt­schaf­ten – sein kann. Die So­li­da­ri­tät, die wir – spe­zi­ell als Öster­rei­cher – auch le­ben, ver­bes­sert den Wohl­stand in al­len Län­dern und bringt uns als Ex­port­land lang­fris­tig viel mehr, als es viel­leicht kurz­fris­tig an fi­nan­zi­el­ler Un­ter­stüt­zung kos­tet. Die­ser Punkt wird von den EU-Kri­ti­kern ger­ne ver­ges­sen, lässt sich aber an­hand des Bei­spiels der EU-Ost­erwei­te­rung klar vor Au­gen füh­ren. Öster­rei­chi­sche Un­ter­neh­men ha­ben die sich dar­aus er­ge­ben­den Chan­cen ge­nutzt und für eine In­ter­na­tio­na­li­sie­rung der Wirt­schaft und ei­nen Wachs­tums­schub ge­sorgt."