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Gemeinsam geht es leichter

Wenn die Gemeindekasse leer ist, sind Bürgerbeteiligungsmodelle eine gesellschaftspolitisch spannende Finanzierungs-Alternative. Unter dem Motto „Was einer allein nicht schafft, das erreichen viele gemeinsam“ werden Projekte realisiert, die den Bürgern am Herzen liegen. Dabei „spenden“ oder „leihen“ viele einzelne private Unterstützer geringe Geldbeträge für ausgesuchte Einzelprojekte. Einzige Voraussetzung, damit das Finanzierungsmodell erfolgreich ist: Das Projekt muss bei den Bürgern die notwendigen Emotionen wecken.
Von Elisabeth Wolfbauer-Schinnerl

Als kürzlich auf dem Dach des Feuerwehrhauses in Eisenstadt eine supermoderne Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen wurde, war das vor allem den Einwohnern der Region zu verdanken – ohne ihren finanziellen Beitrag wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Die Gesamtkosten der Anlage beliefen sich auf rund 30.000 Euro, davon wurden 18.000 Euro von Privatpersonen beigesteuert. Das Angebot wurde über lokale Medien, soziale Netzwerke und die Website der Landeshauptstadt beworben und war binnen weniger Tage ausverkauft. Als Gegenleistung gibt es eine über 13 Jahre fix bleibende Rendite von drei Prozent jährlich sowie die Rückerstattung des Anteils nach Ablauf der 13 Jahre.

 „Das sind höhere Zinsen als ein Sparbuch bringt und der Bürger hat einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz geleistet“, freut sich Bürgermeister Thomas Steindl.

Beispiele wie dieses sind zwar noch Einzelfälle, aber eine projektbezogene Finanzierung durch die eigenen Bürger ist auch hierzulande eine attraktive Alternative für Kommunen. Die Raiffeisenlandesbank Vorarlberg ist einer der Vorreiter und begleitete bereits einige Projekte in diese Richtung. So wurde beispielsweise ein Dorfgasthaus in Riefensberg von einer Bürgergenossenschaft aufgekauft und wird nun im Eigenbetrieb bewirtschaftet.

 

Alternative mit Potenzial

„Bürgerbeteiligungsmodelle bieten nicht nur die Möglichkeit zur Erschließung einer neuen Finanzierungsquelle, sondern auch eine hervorragende Gelegenheit, die BürgerInnen vor Ort in die Gestaltung und Realisierung eines einzelnen Projektvorhabens zu involvieren, was wiederum die Akzeptanz des gegeben Projekts erhöht“, erklärt Marian Ivanov, Finanzierungs-Experte bei der Kommunalkredit, diesen Trend. 

 

Johannes Ortner, Vorstand der Raiffeisenlandesbank Vorarlberg, bestätigt dies: „Bürgerbeteiligung ist schon seit Jahren ein wichtiger Baustein für die Entwicklung von Gemeinden. In Zeiten geringerer freier Finanzmittel ist die Bürgerfinanzierung ein geeignetes Instrument, um neue Projekte und Ideen umzusetzen.“ Auch die Europäische Union forciert dieses Thema.

Emotionen sind wichtig

Doch Ortner gibt zu bedenken, dass sich nicht alle Projekte eignen: „Bürgerfinanzierungen sind dort sinnvoll, wo die Menschen begreifen, dass das gewünschte Projekt keine hoheitliche Aufgabe der Gemeinde ist. Wenn der entsprechende Leidensdruck in der Bevölkerung vorhanden ist, werden sich engagierte BürgerInnen mit eigenem Kapital beteiligen.“

Ähnlich sieht es Peter Rauscher, Vertriebsdirektor für den Public Sector, bei der Bawag P.S.K.: „Das Projekt muss für eine Gemeinschaft einen großen Nutzen haben oder Betroffenheit erzeugen, damit Menschen Geld dafür hergeben.“ Allerdings will Rauscher noch keinen Massentrend erkennen. „Aktuell spielen klassische Bürgerbeteiligungsmodelle, wie z. B. die Errichtung eines regionalen Kleinkraftwerks, noch eine untergeordnete Rolle, da auch die rechtliche Umsetzung und Ausgestaltung sehr aufwendig ist.“ Doch sollte es die gesetzliche Situation in Zukunft zulassen, „wird Crowdinvesting eine stärkere Rolle spielen“, glaubt Peter Rauscher.

 

Rechtliche Unsicherheit

Die Kapitalhöhe ist ein entscheidendes Kriterium, um ein Projekt gesetzeskonform durchführen zu können. „Eine GmbH kann in Österreich bis zu 250.000 Euro pro Jahr einsammeln, eine Genossenschaft bis zu 750.000 Euro. Sollte mehr Kapital benötigt werden, so ist ein Prospekt mit der gesamten Risikoaufklärung zu erstellen“, sagt Johannes Ortner.

In der Tat ist die noch nicht restlos geklärte Rechtslage einer der Hauptgründe, warum sich Crowd-Finanzierungen hierzulande noch nicht wirklich durchgesetzt haben. „Bürgerbeteiligungsmodelle, direkte Beteiligungen oder direkte Zahlungen von Seiten natürlicher Personen, stoßen in der Regel an die Grenzen der Vorschriften gemäß Kapitalmarkt- und Bankwesengesetz, da solche Modelle eine Prospektpflicht nach dem KMG bzw. eine Konzessionspflicht nach dem BWG auslösen“, rät Marian Ivanov zu einer professionellen Begleitung. Zudem sei die Beteiligung von natürlichen Personen grundsätzlich mit der Teilnahme an Gewinnen und Verlusten verbunden. Sollte die Bereitschaft dafür nicht gegeben sein, ist ein Ausschluss der Verlustteilnahme als Bestandteil des Modells einzubauen. Darüber hinaus seien etwaige steuerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen.

„Aufgrund der heiklen Frage nach der rechtlichen Form eignen sich diese Modelle gut für Photovoltaik-Anlagen u.ä., die über eine im Normalfall unstrittige Sale & Lease back-Konstruktion abgewickelt werden können und mit denen sich der Bürger leicht identifizieren kann. Schwieriger wird es bei größeren, nicht mehrteiligen Objekten, bei denen Sale & Lease back von jeweils klar abgegrenzten Teilen nicht anwendbar ist“, gibt Unicredit-Vorstand Helmut Bernkopf zu bedenken.

„Einigen Erfolg haben Modelle, wo Bürger beispielsweise Solarpaneele kaufen und diese der Stadt zurückmieten. Die Stadt nutzt den Strom und zahlt über die Miete Kapital und Zinsen“, sieht Klaus Bergsmann, Leitung Umweltmanagement bei Erste Group, ebenfalls erste Ansätze aber noch keinen durchschlagenden Erfolg. Vielmehr seien viele Modelle „mehr oder weniger kreativ verpackte“ konventionelle Finanzierungsformen.

 

Identifikation schaffen

Auch wenn die Bürgerbeteiligung noch nicht wirklich ins Gewicht fällt, so findet sie im regionalen Bereich doch zunehmend Anklang. „Solche Konstruktionen sind eine geeignete Form, um den Bürger an kommunalen Projekten zu beteiligen und damit Identifikation zu schaffen“, nennt Helmut Bernkopf den Grund dafür und spricht dabei vor allem das Crowdfunding an, bei dem viele Personen für ein Projekt kleinere Geldbeträge spenden und anstelle von Zinsen kleine „Belohnungen“ erhalten. Der Vorteil dieser Konstruktion: Da es um Spenden geht, gibt es keine rechtlichen Probleme.

Generell ist es wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine Spende, eine Leihgabe ohne Zins oder um eine Investition mit garantierter Rendite handelt. Zum Beispiel könnte ein neuer Spielplatz mit den Geldspenden engagierter Eltern finanziert werden. „Als Belohnung könnten auf den Spielgeräten die Namen der Spender angebracht werden“, sieht Peter Rauscher vor allem dort Chancen, wo die potenziellen Geldgeber emotional angesprochen werden. Dieser Aspekt ist auch der besondere Reiz der kommunalen Crowdfinanzierung.

Je nach Ausgestaltung kann die Einwerbung der Mittel zudem als Marketing-Instrument zur BürgerInnen-Bindung genützt werden.
Ein massentaugliches und attraktives Vorhaben kann – öffentlich beworben – schnell zu einem Selbstläufer werden. Dabei helfen ortsnahe Kommunikationsstrategien wie die alt bekannte Mund-zu-Mund-Propaganda, aber zunehmend auch das Internet.

 

Vor- und Nachteile von Bürgerbeteiligungsmodellen

PRO CONTRA
hervorragende Gelegenheit, die Bürger in die Gestaltung eines einzelnen Projektvorhabens zu involvieren beim Crowdinvesting besteht die Gefahr eines Kapitalverlusts für die Geldgeber, sollte das Projekt scheitern
erhöht die Akzeptanz von Projekten bei den eigenen Bürger eine zu große Anzahl an Privatpersonen kann einer erfolgreichen und effizienten Realisierung im Wege stehen
gute Alternative für Projekte, bei denen technische und Marktrisiken ausreichend prognostizierbar sind im Bereich der sozialen Infrastruktur sind etwaige von Privaten zu tragende Marktrisiken nicht ausreichend prognostizierbar
eignet sich für Projekte im Bereich erneuerbare Energie wie z.B. Photovoltaik-Anlagen jede Form von Verzinsung durch eine Nichtbank ist derzeit nicht zulässig und verstößt gegen das BWG

 

Abwicklung über Online-Plattform

Zentrale Abwicklungsstelle für eine Crowd-Finanzierung ist meist eine Internet­plattform, wie es sie seit einigen Jahren auch in Österreich gibt. Als erste österreichische Bank ist die Bawag P.S.K. im Herbst 2014 mit einer Online-Plattform gestartet, über die soziale, kulturelle aber auch regional für die Gemeinschaft relevante Projekte realisiert werden können. Raiffeisen und Kommunalkredit arbeiten eifrig an einer entsprechenden Lösung.

 

Crowdfunding-Plattformen:

Aktive nationale Plattformen:

www.crowdfunding.at - spezialisiert auf soziale, kulturelle aber auch regional für die Gemeinschaft relevante Projekte
www.1000x1000.at - spezialisiert auf Innovationsprojekte und Gründungsvorhaben
www.conda.at - spezialisiert auf Startups
www.greenrocket.at - spezialisiert auf Startups im Bereich Nachhaltigkeit
www.inject-power.at - spezialisiert auf Forschungsprojekte
www.neurovation.net - spezialisiert auf die Kreativbranche und Prototypen
www.respekt.net  - spezialisiert auf Spenden für Zivilprojekte
www.crowdcapital.at 

Internationale Plattformen:

www.kickstarter.com
www.indiegogo.com