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Soest_kunstwerk_europa_en_de_stier Bildnachweis: Wikifrits

Europa ist attraktiv

Die EU zieht seit jeher Zuwanderer an. Aufgrund der zahlreichen akuten Krisen, wächst derzeit die Zahl der Menschen, die nach Europa wollen, besonders stark. Österreich kann die damit verbunden Probleme nur zu einem kleinen Teil alleine lösen. Es braucht eine Neuorganisation der Politik einerseits auf österreichischer, andererseits aber auch auf europäischer Ebene. Von Agnes Kern

Auf die EU fallen rund 35% der Asylanträge weltweit. Die Asylanträge konzentrieren sich aber überwiegend auf die zehn "reichsten" EU-Mitgliedstaaten. Stellt man deren Zahl in Relation zur jeweiligen Bevölkerung eines Landes, sind Malta, Zypern, Schweden und Belgien jedoch am meisten betroffen. Statt die Flüchtlinge solidarisch auf alle 28 Mitgliedsländer zu verteilen, hält die EU nach wie vor am Dublin-Abkommen fest: Für die Flüchtlinge sind jene Länder verantwortlich, in denen diese erstmals EU-Boden betreten. Weiters hat der zuständige EU-Staat den Antragsteller während des gesamten Asylverfahrens zu betreuen. In der Praxis bleiben Asylsuchende daher in dem EU-Land, in das sie zuerst eingereist sind. Voraussetzung dafür ist, dass sie bei ihrer Ankunft ordnungsgemäß registriert wurden: Ihre Fingerabdrücke werden seit 2003 in der elektronischen Datenbank Eurodac gespeichert. Anhand dieser Datenbank können nationale Behörden prüfen, ob ein Asylbewerber schon in einem anderen Mitgliedstaat um Asyl gebeten hat. Damit will die EU das so genannte Asyl-Shopping verhindern.

Ziele der EU in der Asylpolitik

Die EU arbeitet derzeit an einem neuen gemeinsamen Zuwanderungskonzept, aber auch an einem tragfähigen europäischen Asylsystem. Asyl, ist eine Form des internationalen Schutzes. Er wird Menschen gewährt, die aus ihrem Heimatland fliehen, weil sie dort ernsthaft fürchten müssen, bedroht zu werden. Einerseits will die EU die Integration von aufenthaltsberechtigten Einwanderern verbessern, andererseits die illegale Einwanderung konsequenter als bisher bekämpfen. Aber auch einheitliche Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern sollen etabliert werden.

Heinz_Becker__C__MLahousse_EPPGroup_klein"Neben dem Kampf gegen illegale Migration und Schlepperkriminalität auf der einen Seite und der Gewährung von Schutz für verfolgte Flüchtlinge auf der anderen Seite brauchen wir dringend eine Reform der legalen Einwanderung - es sollten mehr gut ausgebildete, junge Fachkräfte und Wissenschafter nach Europa geholt werden", meint Heinz Becker, MEP ÖVP. "Die Herausforderungen werden vielfältig sein, weil auch die Probleme vielfältig sind: im Kampf gegen Schlepper wird zum Beispiel die verbesserte europäische Polizeikooperation und ein starker gemeinsamer Grenzschutz wichtig sein, bei der legalen Einwanderung von Fachkräften oder Wissenschaftern wird es hingegen Bürokratieabbau und das Schaffen einer Willkommenskultur in Österreich und Europa brauchen", so Becker weiter.

Villimsky__C__FP___klein"Es ist wichtig, dass man verstärkt dem Asylmissbrauch sowie der illegalen Einwanderung entgegentritt und die Zuwanderung von Migranten aus Drittländern maximal beschränkt. Die Menschen sollen primär in ihren angestammten Regionen und Ländern bleiben. Zudem gehört der Asylmissbrauch abgestellt. 4 von 5 Menschen, die nach Österreich kommen und um Asyl ansuchen, können keinen erforderlichen Grund nachweisen", argumentiert MEP Harald Vilimsky von der FPÖ.

Im Juni 2013 hat die EU nach langjährigen Verhandlungen Neufassungen der Rechtsakte zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Prüfung von Asylanträgen (Dublin), zur Feststellung der Identität (Eurodac), zum Asylverfahren und zu den Aufnahmebedingungen erlassen. Damit ist auf rechtlicher Ebene ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem erreicht worden, das nun einheitlich in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden soll. Dazu gehört auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), das 2011 seine Tätigkeit auf Malta aufgenommen hat. Des weiteren hat die Kommission für das neue Programm 2014 - 2020 eine Reform der Fördermittel in den Bereichen des Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF), des Europäischen Integrationsfonds (EIF) und des Europäischen Rückkehrfonds (ERF) eingeleitet.

Neuorientierung dringend notwendig

Ulrike_Lunacek__C__Die_Gr__nen_kleinDer große Ansturm auf Europa und die Unfähigkeit der EU damit umzugehen, zeigen aber immer mehr, dass das Dublin-System gescheitert ist und es einer umfassenden Neuorientierung bedarf. Insbesondere die Rufe nach geteilter Verantwortung in Europas Asylpolitik werden immer lauter. "Das Dublin II-System, gemäß dem Flüchtlinge nur in dem Land, in dem sie erstmals EU-Boden betreten, um Asyl ansuchen können, gehört abgeschafft, ein gerechter Verteilungsschlüssel füår Asylsuchende und gemeinsame Standards für Asylverfahren müssen in allen EU-Staaten umgesetzt werden," fordert etwa MEP Ulrike Lunacek (Die Grünen). Der Meinung ist auch MEP Angelika Mlinar von den Neos: "Wir brauchen in Europa eine gemeinsame, humane Asyl- und Migrationspolitik, in der alle EU-Staaten gemeinsam und solidarisch Verantwortung übernehmen. Das Dublin-II-Abkommen muss überarbeitet werden, denn es darf nicht sein, dass die Erstankunftsländer der Migranten für Asylsuchende allein verantwortlich sind."

Angelika_Mlinar__C__Thomas_Bihlmayer_kleinDoch auch beim letzten EU-Gipfel im Juli konnten sich die EU-Staaten nicht auf eine neue Migrationspolitik einigen. Die Schlussfolgerungen zeigen, dass die Staats- und Regierungschefs nach wie vor auf altbekannte Rezepte setzen: Die Außengrenzen sollen schärfer gesichert, Schlepper entschiedener bekämpft und die Lage in den instabilen Staaten verbessert werden, damit weniger Menschen den gefährlichen Weg nach Europa auf sich nehmen müssen. Aus der Tragödie von Lampedusa hat man nicht viel gelernt. "Lampedusa hätte ein Wendepunkt für die Flüchtlingspolitik der EU sein müssen, denn diese Katastrophe hat deutlich gemacht, wie die Abschottungspolitik der EU Menschen zwingt, sich auf der Suche nach einem sicheren und würdigen Leben in Lebensgefahr zu begeben - leider wurden nach den Krokodilstränen nur wenige konkrete Schritte für ein gemeinsames Asylsystem gesetzt, sterben weiterhin Flüchtlinge im Meer und mit ihnen die europäischen Werte", beklagt Lunacek. Nach wie vor fehlen der Wille und der Mut die Dinge grundlegend zu ändern. Auch Mlinar sieht derzeit keine große Bewegung: "Die tragische Situation in Lampedusa hat auf ihre schreckliche Art zu medialer Aufmerksamkeit geführt und die Flüchtlinge auch in das Bewusstsein der EuropäerInnen gebracht. Das neue "Frontex Plus" ist jedoch leider keine Verbesserung, geschweige denn eine Lösung der Situation. Letztendlich ist es ein Scheitern der Wertegemeinschaft, wenn wir als Europäische Union das Mittelmeer als Massengrab akzeptieren." Italien ist mittlerweile mit der Flut an Flüchtlingen überfordert und forderte diesen Sommer sogar einen eigenen EU-Kommissar für "Mittelmeer-Flüchtlinge". Dazu würde auch eine aktive Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik gehören - die Budgets dafür werden aber ständig gekürzt, nicht zuletzt auch in Österreich.

Das "Save Lives Project"

20131025PHT23116_width_600Innenminister Johanna Mikl-Leitner hat beim informellen Gipfeltreffen diesen Juli zwar ein Konzept Österreichs für europaweite Resettlement-Programme in die Diskussion eingebracht. Laut dem "Save Lives Project" soll die EU künftig Flüchtlinge aufnehmen, die direkt vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) an "Hotspots" in Nordafrika ausgewählt werden. Sie sollten dann nach einem fixen Schlüssel, proportional zur Bevölkerungszahl und "unter Rücksichtnahme auf die bereits jetzt vorhandene ungleiche Verteilung" auf die EU-Staaten aufgeteilt werden.

Sie spricht damit der FPÖ aus der Seele. "Die tragischen Ereignisse vor Lampedusa zeigen, dass die EU präventiv die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer eindämmen muss, in dem man beispielsweise Auffang- und Betreuungszentren in jenen Ländern platziert, von denen aus die Flüchtlinge ihre gefährliche Reise starten," so Vilimsky.

Kritiker verurteilen die Uneinigkeit der EU aber nach wie vor scharf. "Das ist ein Versagen der europäischen Innenminister, wenn sie die Bürden den Nachbarstaaten aufhalsen und nicht bereit sind, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zu entwickeln", sagte beispielsweise Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Info:

Im Vorjahr haben 4.133 Menschen in Österreich Asyl erhalten, die meisten stammen aus Afghanistan, Syrien, Russland, dem Iran und Somalia. Die Zahl der Asylanträge steigt derzeit besonders an. Im heurigen August ist ihre Zahl bereits um 6,4% gegenüber dem Vormonat und um 68,5% gegenüber dem August 2013 gestiegen.

Bildnachweis: Europ. Parlament

weitere Bildnachweise:

Stier mit EU-Sternen: Lupo / pixelio.de

Europa und der Stier Goldstatue: Fotolia / diez-artwork

Heinz Becker: MLahousse_EPPGroup

Harald Villimsky: FPÖ

Ulrike Lunacek: Die Grünen

Angelika Mlinar:Thomas Bihlmayer