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Kampf ums Strohhaus

Ein österreichischer Baumeister entwickelte ein Wohnhaus aus Stroh. Nach seinem überraschenden Tod soll die ökologische Innovation weiterleben. Von Otto Havelka

Am 9. November vergangenen Jahres schrieb der Moosbrunner Baumeister Jürgen Höller Geschichte: Er eröffnete auf seinem Firmengelände südlich von Wien in Ebergassing das erste "lasttragende Strohballen-Musterhaus". Das heißt: Die Mauern des einstöckigen Gebäudes mit rund 250 Quadratmetern Wohnfläche bestehen aus Strohballen. Das innovative Haus sorgte in der Fachwelt für Aufsehen. Stroh gilt zwar schon seit langem als hervorragendes und zudem ökologisches Wärme- und Schallschutzmaterial. Dass aber nun ganze Häuser aus Stroh gebaut werden sollen, ist eine Sensation.

Am 26. Dezember verunglückte der zweifache Vater Jürgen Höller bei einem Skiunfall tödlich. Seither herrscht Rätselraten um die Zukunft des Strohhauses. Nun soll das Unternehmen - die Strohplus GmbH - von Investoren aus der Baubranche übernommen werden, die das bahnbrechende Projekt auch zu einem kommerziellen Erfolg führen. Bis September dieses Jahres soll eine Entscheidung getroffen werden. Bislang hat die Entwicklung des Strohhauses laut Angaben von Jürgen Höller im Oktober des Vorjahres rund 650.000 Euro verschlungen.

Der attraktive Deal für künftige Betreiber könnte sein: Mit der Strohplus GmbH, die auf geförderten Krediten sitzt, ist auch die rentable Ing. Jürgen Höller GmbH zu haben. Das auf Althaussanierung und den Bau von Passivenergiehäusern spezialisierte Unternehmen wurde von Jürgens Vater, Josef Höller, gegründet. Der mittlerweile pensionierte Baumeister amtiert bis zur Firmenübernahme auch als interimistischer gewerberechtlicher Geschäftsführer.

Ziel ist, dass die potenziellen Käufer beide Unternehmen im Paket erwerben, die gesamte Belegschaft von rund 20 Mann übernehmen und das Projekt "Strohballenhaus" weiter vorantreiben. Erst kürzlich wurde das Projekt im Rahmen des "Energy Globe Award" ausgezeichnet und Anfang Mai gab es vom Land Niederösterreich eine weitere Förderungszusage für ein Forschungsprojekt zu einer neuen Dämmstoffvariante aus Stroh.

Die Vision: Mit Höllers Knowhow könnte mittelfristig auch international ein gutes Geschäft gemacht werden. Wobei sich Experten der Baubranche einig sind: Das Potenzial liegt nicht im Bereich von Einfamilienhäusern, sondern in Bauaufträgen der öffentlichen Hand und von Institutionen und Großunternehmen. Das könne auch ein Gebäudekomplex für Duschen der Bundesbahn sein, sagt ein Brancheninsider.

Das Strohballenhaus

Strohhäuser sind als Passivenergiehäuser nicht nur in ihrer Verwendung klimaschonend, sondern auch in der Herstellung. Bei der Errichtung können gegenüber einem Ziegelmassivbau etwa hundert Tonnen CO2 und der Jahresenergieverbrauch von 21 Haushalten eingespart werden. Die bis zu 240 kg schweren Strohballen sind in die Brennbarkeitsstufe E eingestuft und für Einfamilienhäuser zugelassen. Die Strohballenwandaufbauten erfüllen die Brandwiderstandsanforderungen gemäß Ö-Norm. Das Strohballenhaus ist fast zu 100 Prozent kompostierbar.

Strohhaus_MuasterhausÖsterreichs erstes lasttragendes Strohballen-Musterhaus in Ebergassing (südöstlich von Wien), mit dessen Errichtung im März 2013 begonnen wurde.

BILDNACHWEIS: OTTO HAVELKA