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Europa regional denken

In Salzburg bekam public im Gespräch mit dem ehemaligen Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger einen Einblick in die Arbeit des Institutes der Regionen Europas (IRE), das Dr. Schausberger 2004 gegründet hat, um die Stimme der regionalen und lokalen Einheiten in Europa zu stärken. Interview: Agnes Kern

debattepublic: Wie kam es nach Ihrer Tätigkeit in der Landespolitik zur Gründung des IRE?

Franz Schausberger: Ich bin im Jahr 2004 als Landeshauptmann ausgeschieden und ich habe immer schon vorgehabt, so etwas wie ein Institut der Regionen Europas zu gründen. Einerseits, weil ich Zeit meines Lebens auf der regionalen Ebene politisch tätig war, und andererseits, weil ich immer die Verbindung zu Europa als Landespolitiker gepflegt habe. Daher war es für mich klar, dass ich in diesem Bereich weiter bleiben möchte.

public: Was sind die Ideen und Ziele dahinter?

Schausberger: Im Großen und Ganzen verfolgt das IRE zwei Ziele: Die Menschen in Europa zusammenzubringen und die Dezentralisierung zu stärken. Der Schwerpunkt war von Anfang an eine gewisse Ausrichtung auf Ost- und Südosteuropa. Es ist mir darum gegangen, dass wir unser Know-how, das wir in Mittel- und Westeuropa schon lange haben, und auch die gute lokale und regionale Administration an die neuen Länder weitergeben und eine Plattform des Know-how-Transfers schaffen. Es muss nicht jedes Land, das Probleme hat, die Welt neu erfinden. Das Problem, das dort besteht, ist bei uns schon irgendwann einmal gut gelöst worden. Und das Zweite, die Idee der Regionalisierung und der Dezentralisierung, da sind immer die Kommunen mit eingeschlossen, muss immer verteidigt werden, die ist immer in Gefahr. Hinter jeder Ecke lauert ein Zentralist, der ausfindig gemacht werden muss und dem man sich entgegenstellen muss. Die Gemeindeselbstverwaltung war ein so schwer erkämpftes Ergebnis der Revolution 1848. Das war die liberale Idee der kommunalen Selbstverwaltung, und jetzt sind wir dabei, diese vor allem aus ökonomischen Gründen in Frage zu stellen. Und das tut mir weh.

public: Wie setzt sich das IRE zusammen?

Schausberger: Wir haben 120 Mitglieder aus 19 europäischen Ländern, wobei wir jetzt versuchen, in die europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftspolitik hineinzugehen, auch in den Kreis der angrenzenden Länder, wie in die Kaukasus- und Schwarzmeerländer. Wir wollen diese stärker heranbinden. Es ist immer die Frage: Drängen wir sie ab oder binden wir sie ein? Ich bin der Meinung, dass es auf der regionalen und kommunalen Ebene viel leichter ist, die Leute heranzuholen als auf nationaler Ebene, wo ganz andere Interessen eine Rolle spielen. Die Regionen, Städte und Kommunen sind dankbar über die Kontakte, und Europa braucht so viele Botschafter für die europäische Idee wie möglich.

Ansonsten sind wir ein Dreiervorstand. Das Kernteam besteht aus 2,5 Personen und jährlich 25 Praktikanten. Es ist mir sehr wichtig, dass man jungen Leuten die Möglichkeit eines einmonatigen Praktikums bietet. Manchmal ist es auch eine praktische Zusammenführung von jungen Leuten, die zuhause nicht miteinander können, wie Bosnier, Kroaten und Serben, die in ihrem Land aufgrund des Gruppendrucks nicht miteinander kommunizieren würden. Das sind so kleine Tropfen zur Verständigung.

public: Was ist dabei Ihre Aufgabe?

Schausberger: Eine meiner Hauptaufgaben ist, zu schauen, dass wir dieses Institut finanzieren können, und das ist immer die schwierigste Sache. Wir machen alles im Interesse der EU und es gibt so wenig Möglichkeit, Unterstützung von der EU zu bekommen. Das tut mir in der Seele weh, weil ich wirklich ein überzeugter Europäer bin. Und darum würde ich mich natürlich sehr freuen, wenn noch mehr Länder und Gemeinden bei uns Mitglied werden würden, weil das eine große Unterstützung und Verbreiterung unseres Netzwerkes wäre. Die Mitglieder bekommen alle Informationen, sie können bei allen unseren Veranstaltungen kostenlos teilnehmen und sind dann im Netzwerk gut verankert.

public: Was sind die Schwerpunkte?

Schausberger: Das IRE hat drei Schwerpunkte: Erstens, Veranstaltungen zu organisieren mit Themen, die für Regionen und Kommunen von Interesse sind. Das sind unsere jährliche Konferenz und spezifische Fachkonferenzen. Zweitens unsere wissenschaftliche Betätigung mit dem Thema Regionalisierung und Dezentralisierung und drittens unser Praktikantenprogramm.

Grundprinzip ist, möglichst nach Bedarf einer Region im Land selbst spezifische Fachkonferenzen zu machen, Know-how zu transferieren und Best-Practice-Beispiele zu präsentieren, und einen Kontakt zu EU-Vertretern herzustellen, die Verantwortlichen persönlich kennenzulernen.

public: Woran arbeiten Sie momentan?

Schausberger: Natürlich steht im Moment die Vorbereitung für unsere große jährliche Konferenz europäischer Regionen und Städte im Vordergrund. Aber wir arbeiten auch an unseren Diskussionen, den Café d’Europe régionale, wo wir versuchen, die europäische Politik in die Städte und Gemeinden hinauszubringen. Das sind öffentliche Diskussionen in Kaffeehäusern. In den kommenden Tagen sind wir in Vukovar für Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, wo wir eine Konferenz für die Regionalversammlungen haben. Es wird spannend, weil dort leider wegen der Einführung der kyrillischen Sprache gerade heftige Auseinandersetzungen laufen. Vukovar, das war die umstrittene Stadt, die zuerst von den Serben und dann von den Kroaten zurückerobert wurde. Es gibt dort eine serbische Minderheit mit mehr als 30 Prozent und es gibt ein kroatisches Gesetz, das auch von der EU verlangt wird, zum Minderheitenschutz: Die Serben können bei Ämtern und Behörden Beschriftungen in kyrillischer Schrift anbringen. Wir kennen ja diese Sachen von Kärnten. Und die Nationalisten demonstrieren gerade jetzt dort fast täglich. Wir kommen da mitten hinein mit unserer Konferenz, wo wir erstens die Ideen der EU von wegen Minderheitenschutz und Menschenrechte vermitteln und wo wir außerdem die Volksgruppen alle zusammen haben werden: die Bosnier, die Muslime als auch die Kroaten und Serben, von Vukovar selbst und aus Serbien, aus der Vojvodina. Ich möchte mit ihnen gerne diese Fragen diskutieren und dass sich die Regionalparlamente mit dem europäischen Gedankengut stärker auseinandersetzen, weil wir die Abgeordneten als Propagandisten der europäischen Idee brauchen. Und da einmal zu einer Versöhnung beizutragen, das wäre schon eine wichtige Aufgabe. Auch in Österreich haben sich diese Konferenzen bewährt. Ich würde mich freuen, wenn von mehreren österreichischen Städten ein Interesse käme, bei sich so eine Diskussionsrunde zu veranstalten.

public: Bei solchen Themen und Fragestellungen, können da die österreichischen Gemeinden einen Beitrag leisten?

Schausberger: Wenn sie z. B. selbst gute Projekte vorweisen können von einer guten Zusammenarbeit über die Grenze hinweg, dann ist das sehr wichtig. Wenn eine Kärntner Gemeinde sagt, wir haben lange mit den Slowenen gestritten, aber jetzt habe ich mit der in Slowenien angrenzenden Stadt ein gemeinsames Projekt und das läuft gut, wir zeigen euch das. Die Best-Practices, das Know-how weitergeben, gute Beispiele können viel bewirken.

public: Was kann hier die kommunale Ebene leisten?

Schausberger: Hier könnte man die Euregios, die von den Gemeinden getragen werden, aufwerten, ihnen mehr Zuständigkeiten übertragen als nur die Ausarbeitung von Wanderkarten. Das frustriert auf Dauer. Dann schlafen sie ein. Die müssten so viel an Zuständigkeiten bekommen, dass sie gemeinsam gewisse Raumordnungsfragen klären können, dass sie im gesundheitspolitischen Bereich grenzüberschreitend planen können. – Es ist völlig sinnlos, dass wir in Salzburg alles an Gesundheitseinrichtungen haben, wenn 5 km nach der Grenze wieder alles da ist, und es gibt keinen Austausch, es gibt keine gemeinsamen Planungen, usw.

public: Scheitert das nicht immer wieder an finanziellen Mitteln?

Schausberger: Nein, das scheitert an der Grenze im Kopf. Ganz im Gegenteil, man könnte sich Mittel sparen, wenn man koordiniert, z. B. im Bereich Pflegeplätze, der die Gemeinden so belastet. Jetzt gehen zum Beispiel viele Leute nach Ungarn und lassen sich dort pflegen. Warum hebt man das nicht auf eine höhere Ebene? Da gibt es auf der kommunalen Ebene noch unendlich viele Möglichkeiten.

Das IRE-Team v.l. Joanna Chmielecki, Generalsekretär Dr. Joachim Fritz, Samra Rahmanović:IRE_Team

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