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Virtueller Wahlkampf

Ein Wahlkampf ohne Social Media ist nicht mehr möglich, sagen die Wahlstrategen in den Parteizentralen – und die Kommunikationsexperten. Doch welche Inhalte zählen auf den Plattformen wirklich, um neue Wähler in die Wahlkabinen zu bringen? Von Christoph Archet

Social-Media-Angebote sind mittlerweile auf einer sehr breiten Basis in Österreich etabliert. Fast 2,5 Millionen Österreicher zwischen 14 und 49 Jahren sind allein auf Facebook präsent und aktiv. Aber welche Bedeutung haben Social-Media-Kanäle wie Facebook, Twitter und Co. im Wahlkampf? Und welche Inhalte sind maßgebend für einen Wahlerfolg im Netz?

Glaubwürdigkeit, Nähe und Persönliches sollen transportiert werden, um die Erfolgschancen auf einen Wahlsieg zu erhöhen, ist man sich bei allen Parteien einig. „Social Media als Plattform ist in modernen Wahlkämpfen unverzichtbar. Vor allem, wenn es um die Positionierung der Spitzenkandidaten geht. Klar ist jedoch, dass man damit vor allem die Jungen zwischen 18 und 35 Jahren erreicht“, grenzt Kommunikationsexperte Alfred Autischer, Gaisberg Consulting, die Alterszielgruppe ein. Die Wirkung der Online-Kampagnen ziele vor allem auf Mitglieder und potenzielle Unterstützer, die wiederum andere mögliche Wechselwähler ansprechen und für die Partei werben sollen.

Andere Inhalte zählen

Um bei den Usern im Gespräch zu bleiben, braucht es aber andere Inhalte als in der herkömmlichen Politkommunikation. Der Inhalt muss informativ, unterhaltsam, mit persönlicher Note und einem klaren eigenen Standpunkt sein. Wichtig sind einfache, verständliche Sprache, Ehrlichkeit und Transparenz, raten Experten.

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Schnell, aktuell, vielfach vernetzt: Bundeskanzler-Postings auf Facebook zur Hochwasserlage am 5. Juni. BILDNACHWEIS: SCREENSHOT FACEBOOK.COM

Am erfolgreichsten sind Facebook-Seiten, wenn sie von einer Person stammen. Nicht die Partei spricht, sondern der Spitzenkandidat. Die Schwierigkeit dabei: User spüren sofort, wenn nur ein anonymes Team die üblichen politischen Floskeln online stellt. Bundeskanzler Werner Faymann hat hier beispielsweise einiges Lehrgeld zahlen müssen. Er tritt zwar auf Facebook mit dem Zusatz Bundeskanzler auf und hat rund 8.000 „Likes“. Das ist angesichts der Tatsache, dass die satirische Darstellung der Seite „Werner Failmann“ mit über 15.000 fast doppelt so viele „Likes“ hat, allerdings schwach.

Alfred Autischer kritisch: „Ganz offensichtlich gelingt es niemandem, beide Plattformen – die der Partei und die des Spitzenkandidaten – gleich erfolgreich zu managen. Entweder ist wie bei den Grünen die Partei sehr erfolgreich oder es ist der Spitzenkandidat wie FPÖ-Chef HC Strache. Unsere klare Empfehlung: Social Media lebt vom direkten Kontakt einzelner Personen. Die Parteien sollten sich daher in Social Media auf die Spitzenkandidaten konzentrieren. Strache zeigt vor, wie es geht.“ Er hat es geschafft, dass ihn mehr als 134.500 Personen auf Facebook „liken“ und über 18.000 auf Facebook über ihn sprechen (Anm.: Zahlen bei Redaktionsschluss). Im Ranking auf Politometer.at ist er – weit voran – die Nummer eins: der Social-Media-Star der Politiker.

Messbarer Erfolg?

Als wichtige Indikatoren für die Bewertung erfolgreicher Social-Media-Kampagnen sehen Kommunikationsexperten die „Talking Abouts“, „Shares“ und „Likes“. Viele „Likes“ nützen aber wenig, wenn die User nicht von sich aus aktiv werden und in ihr eigenes Netzwerk ausstrahlen. Aus Studien weiß man, dass üblicherweise neun von zehn Usern lesen – und nur einer tatsächlich aktiv wird. Ziel muss jedoch sein, die Anzahl der aktiven User zu erhöhen, besonders in einem Wahlkampf. Es geht also nicht nur um die Reichweite, sondern vor allem um das „Engagement“, wie das im Fachjargon genannt wird. Alfred Autischer: „Die erfolgreichste Social-Media-Strategie ist jene, die es schafft, die User zu deinen Kommunikatoren zu machen, die deine Botschaften mit eigenen Beiträgen weiterverbreiten.“

Auf die Frage, ob über das Online-Angebot neue Wählerschichten mobilisiert werden können, erklärt der Online-Verantwortliche Martin Radjaby von den Grünen: „Der Wandel, in dem sich die Politik gerade befindet, spiegelt sich ebenso im Netz wider. Die jahrelange konsequente Arbeit der Grünen zeigt sich mit vier Wahlsiegen in Folge und schlägt sich auch in der Nutzung der Onlineangebote deutlich nieder.“

Für Monika Holzer (FPÖ) liegt der Mobilisierungserfolg via Social Media klar auf der Hand: „Aufgrund der schier unbeschränkten Möglichkeiten, den Zugang zu Usern zu finden, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, Menschen anzusprechen. Mit den richtigen Inhalten ist es dann natürlich auch möglich, diese Menschen zu binden, sowohl auf der Seite des sozialen Mediums wie hoffentlich dann auch bei Wahlentscheidungen.“ Zuspruch und Erfolg misst man bei der FPÖ über Gewinnspiele auf sozialen Medienseiten, bei denen reger Zuspruch festgestellt wird, heißt es weiter.

Ideen, Kampagnen, Humor

Viel differenzierter, was einen möglichen Online-Mobilisierungserfolg angeht, gibt sich ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch: „Eine Ansprache ist nur durch gezielte Aktionen oder themenspezifische Kampagnen erreichbar. Eine Mobilisierung parteiferner Schichten für Parteien oder Kandidaten wie in den USA ist in Österreich kaum denkbar. Vor allem auch, weil wir eine völlig andere Datenschutzlage haben.“ Mit traditionellen Online-Angeboten könne man jedenfalls keine neuen Wähler erreichen, meint Rauch.

Was den Dialog mit den Wählern angeht, hat die SPÖ in Salzburg im vergangenen Wahlkampf ganz eigene Erfahrungen gesammelt: „Entgegen der landläufigen Meinung, Facebook sei nur ein Medium der jungen Menschen, kommen die meisten User aus der Altersgruppe 45-54 Jahre“, weiß SPÖ-Landesgeschäftsführer Uwe Höfferer.

Aus Sicht der Kommunikationsexperten haben jedenfalls alle Parteien Nachholbedarf, wenn es darum geht, die User über spezielle Angebote zu mobilisieren und zu aktivieren. Das muss unterhaltend und humorvoll sein. „Pröll in Niederösterreich hat das sehr gut gemacht. Die Pröllfrisur ist ein perfektes Beispiel dafür“, erklärt Alfred Autischer.