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Dynamische Lernprozesse

Wie bildet man sich in einem zunehmend vielseitigen Feld wie der öffentlichen Verwaltung weiter, sodass man auch in den nächsten zehn Jahren noch davon profitiert? Auch Bildungsexperten haben darauf keine einheitliche Antwort. Aber sie versuchen dennoch, geeignete Ausbildungsprogramme für diese Zielgruppe zu stricken. Von Nicole Kranzl

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Der Verwaltungsnachwuchs muss in Zukunft immer größeren Herausforderungen gewachsen sein. Eine adäquate Ausbildung ist unbedingt nötig.

Bildnachweis: Andres Rodriguez - fotolia.com 

Es gab einmal eine Zeit, in der man in jungen Jahren als „Beamter“ am Gemeindeamt seinen Dienst antrat. Der Job galt als in Stein gemeißelt – nicht nur in puncto Jobgarantie, sondern auch im Hinblick auf die anfallenden Aufgaben, die täglichen Abläufe und die klaren Zuständigkeiten. Diese Zeit ist lange vorbei. In kaum einem Bereich haben sich die Rahmenbedingungen mehr geändert als in der öffentlichen Verwaltung. Interdisziplinäre Fragestellungen, Mehrebenenverwaltung, europäische Fragen, Social Media: All das und noch viel mehr gehört längst zum Alltag in Österreichs Gemeindeämtern. Kein Wunder, dass auch etliche Bildungseinrichtungen mit speziellen Angeboten auf diese geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Aber wer wird dort wie mit welchen Schwerpunkten ausgebildet? Und vor allem: Wie entwickelt sich der Aus- und Weiterbildungssektor selbst weiter?

Für Peter Parycek, Leiter des Zentrums für E-Governance an der Donau-Uni Krems, steht fest, dass die Ausbildungsangebote in Zukunft immer weiter spezialisiert werden müssen. „Immerhin ändern sich auch die Aufgaben der Gemeinden. Wir sehen zum Beispiel, dass Gemeindezusammenlegungen immer wichtiger werden. Dadurch entstehen Spezialisierungen, denen auch die Ausbildungsprogramme Rechnung tragen müssen“, so Parycek. Für ihn ist auch die Frage nach einem „Bürgermeister-Führerschein“, der von einigen Experten gefordert, von anderen aber scharf kritisiert wird, durchaus legitim. „Immerhin ist der Bürgermeister letztverantwortlich in rechtlichen Belangen“, gibt Parycek zu bedenken. „Gerade für Quereinsteiger ohne juristischen Hintergrund, aber auch für andere leitende Gemeindebedienstete wären verpflichtende Schulungen wie zum Beispiel unser Lehrgang zum Verwaltungsmanager von Vorteil.“

Fest steht: Obwohl die Ausbildungsangebote im Bereich Public Management noch sehr jung sind, müssen die Curricula praktisch ständig weiterentwickelt und aktualisiert werden. Am FH Campus Wien wurde der Bachelorstudiengang „Public Management“ 2008 mit 50 Studierenden gestartet. Anfangs war das Studium nur berufsbegleitend möglich – und nur für Personen, die Erfahrung im öffentlichen Dienst mitbrachten. „Wir haben zielgruppenspezifisch begonnen, aber schnell gemerkt, dass auch darüber hinaus Bedarf besteht“, so Studiengangsleiterin Renate Deininger. Seit 2012 gibt es neben Bachelor- und Masterstudiengang auch ein entsprechendes sechssemestriges Studienangebot für all jene, die sich gleich nach der Matura für eine Ausbildung entscheiden, die genau auf den öffentlichen Dienst zugeschnitten ist. „Die demografische Entwicklung zeigt, dass der Bedarf an gut ausgebildeten Nachwuchskräften da ist. Nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für Privatunternehmen, die viel mit dem öffentlichen Dienst zusammenarbeiten.“

 

Experten-Teamwork

Der Schwerpunkt im „Public Management“-Lehrgang liegt auf der Verbindung einer Wirtschafts- mit einer Rechtsausbildung. „Dazu arbeiten wir intensiv mit der öffentlichen Hand zusammen – zum Beispiel mit dem Bundeskanzleramt und den Bundesministerien“, so Deininger. „Das Curriculum wird von Experten aus der öffentlichen Verwaltung miterarbeitet. Dass das eine erfolgreiche Strategie ist, zeigt sich auch im Feedback unserer Absolventinnen und Absolventen: Sie sind für die Neuerungen, die in ihrem Beruf auf sie zukommen, besser gerüstet und auch vielseitiger einsetzbar, etwa auch im Qualitätsmanagement und Controlling.“

Auch an der FH OÖ in Linz wurde das Studienangebot in den letzten Jahren erweitert, unter anderem um einen dreisemestrigen Weiterbildungslehrgang „Kommunalmanagement“, der sich an all jene richtet, die eine fundierte Ausbildung für ihre Arbeit in der Gemeinde suchen, denen aber ein gesamtes Bachelorstudium zu umfangreich ist. Das Masterstudium wurde mit den drei Schwerpunkten Public Management, Gesundheitsmanagement und Sozialmanagement weiter ausgebaut, das Bachelorstudium „Management öffentlicher Dienstleistungen“ wird mit 2013 in „Public Management“ umbenannt. „Alle diese Angebote sind bedarfsorientiert für den öffentlichen Sektor maßgeschneidert“, erklärt Studienkoordinatorin Franziska Cecon. Und sie ist sicher, dass das Studium ähnlich dynamisch bleiben muss wie die Rahmenbedingungen der Arbeit im öffentlichen Dienst. Cecon glaubt zwar nicht daran, dass es in Zukunft mehr Anbieter an Ausbildungsprogrammen geben wird. „Dafür müssen die bestehenden Angebote aber neu ausgerichtet und den sich ändernden Handlungsfeldern angepasst werden. E-Government, Governance-Aspekte und interdisziplinäre Ausrichtung sind da nur drei Schwerpunkte, die wir deshalb in unseren Studienangeboten setzen“, so die Koordinatorin. „Effizienz und Effektivität spielen eine wichtige Rolle in den Gemeinden und werden in Zukunft noch viel wichtiger werden. Es gibt einen enormen Bedarf an gut ausgebildeten Mitarbeitern und besonders an Führungskräften, wenn man die anstehende Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst bedenkt.“

Absolventeninputs

Ändern sich demnach auch die Kriterien, nach denen die einzelnen Ausbildungsangebote gestrickt werden? „Im Wesentlichen nein“, meint Franziska Cecon. „Hohe Praxisorientierung und Erkenntnisse aus der anwendungsorientierten Forschung fließen nach wie vor in die Lehre ein. Außerdem setzen wir auf Kompetenzorientierung. Im Sozial- und Verwaltungsmanagement ist das vor allem die Verknüpfung von rechtlichem und betriebswirtschaftlichem Know-how, die Vermittlung von methodischen Fertigkeiten wie Projektmanagement und Moderation sowie die Stärkung sozialer Kompetenzen. Im Master liegen die Schwerpunkte dafür auf strategischem und innovativem Denken und Handeln, Steuerungselementen, dem interdisziplinären Verständnis für den öffentlichen Sektor und dem Projektmanagement.“ Aber, so die Koordinatorin, es gehe natürlich auch in den Ausbildungsprogrammen darum, zukünftige gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische und politische Entwicklungen vorwegzunehmen. Damit das funktioniert, wird auch in Linz mit Experten aus der Praxis zusammengearbeitet, zum Beispiel Vertretern des Landes, des Gemeinde- und Städtebundes oder des Fachverbandes der leitenden Gemeindebediensteten. Und: Man holt sich in Linz auch Anregungen direkt von Absolventinnen und Absolventen.

Eine von ihnen ist Gerda Eder. Sie war schon vier Jahre im Sekretariat der oberösterreichischen Gemeinde Micheldorf im Bezirk Kirchdorf an der Krems beschäftigt, als sie sich entschloss, den Bachelorstudiengang „Management öffentlicher Dienstleistungen“ an der FH Linz zu absolvieren. Ein Schritt, den sie trotz Doppelbelastung nicht bereut hat. Als 2012 – und damit kurz nach ihrem erfolgreichen Studienabschluss – der Posten des Amtsleiters neu ausgeschrieben wurde, bewarb sich Eder. „Die Ausbildung war ein wesentlicher Grund, warum ich den Job bekommen habe“, so Eder. Der Vorteil der Ausbildung, so ihr Resümee, sei in jedem Fall die Praxisorientierung. „Der Studiengang ist genau auf die Bedürfnisse jener zugeschnitten, die im öffentlichen Dienst arbeiten. Insgesamt also eine Schnittstelle zwischen interessanten, aktuellen Lerninhalten und der Praxis.“

Noch Aufholbedarf

Kritischer beurteilt Benedikt Speer, Studiengangsleiter für Public Management an der FH Kärnten, die Ausbildungssituation für Bedienstete der öffentlichen Verwaltung in Österreich. „Es gibt nur wenige Einrichtungen mit maßgeschneiderten Angeboten wie die FH Kärnten, wo man Public Management sowohl im Bachelor- als auch Masterstudiengang berufsbegleitend oder als Vollzeitstudium absolvieren kann“, so Speer. „Im europäischen Vergleich hinkt Österreich da zum Teil noch weit hinterher. Das gilt nicht nur für die Anzahl der Bildungseinrichtungen, sondern vor allem auch für die Personal- und Einstellungspolitik. Während in anderen Ländern in fast allen anspruchsvolleren Jobs in der öffentlichen Verwaltung ein abgeschlossenes Hochschulstudium Voraussetzung ist, genügt hierzulande häufig noch die Matura.“ Die Erkenntnis, dass man für neue Aufgaben auch gut ausgebildetes Personal braucht, würde sich erst langsam durchsetzen, so der Studiengangsleiter. Am Bedarf zweifelt er indes nicht. „Es gibt sehr viele Interessenten für das berufsbegleitende Studium. Leute also, die aus der Praxis kommen und selbst sehen, dass sie eine fundierte Ausbildung brauchen, um mit den neuen Herausforderungen wie Gemeindekooperationen, E-Government und wirkungsorientierter Steuerung zurechtzukommen“, so Speer. Er selbst sieht die Notwendigkeit aber vor allem auch im Vollzeitstudium: „Immerhin ist das der hochqualifizierte Verwaltungsnachwuchs von morgen.“ Speer hofft auf ein Umdenken in der Personal- und Einstellungspolitik. „Fakt ist, dass der öffentliche Dienst schrumpfen wird. Es wird sich auch in Städten und Gemeinden die Erkenntnis durchsetzen müssen, dass man auf weniger, dafür gut ausgebildete Fachkräfte setzen muss“, ist er sich sicher. „Das Problem ist, dass wir es besonders in der öffentlichen Verwaltung mit einem Bereich zu tun haben, wo zum Teil sachfremde politische Einflüsse auf Personalentscheidungen noch immer sehr groß sind.“