Erreichbarkeit ist erste Bürgermeisterpflicht. Wie erreichbar die Ortsvorsteher wirklich sind, und ob Telefon und E-Mail als Zwang oder Last empfunden werden.
Von Christian Stemberger
Das gibt es gar nicht, dass er nicht erreichbar sei. „Jeder, der anruft und die Rufnummer nicht unterdrückt, wird zurückgerufen“, sagt Karl Moser, Bürgermeister von Yspertal. Moser ist auch Vizepräsident des Gemeindevertreterverbandes und Klubobmannstellvertreter im Niederösterreichischen Landtag. Um all diese Funktionen unter einen Hut zu bekommen, setzt er auf mobile Kommunikation und Büroausstattung. Die E-Mails bekommt er auf iPhone und iPad, auch ein Laptop ist immer dabei – und der Kalender wird elektronisch geführt.
State of the Art
Die Technologieaffinität zieht sich durch Mosers Politkarriere: „Meine erste Anschaffung als Bürgermeister war eine elektrische Schreibmaschine. Das ist jetzt ein Vierteljahrhundert her.“ Laptops nutzt er, seit sie auf dem Markt sind. Moser schätzt vor allem die hohe Effizienz des mobilen Arbeitens, Nachteile sieht er keine: „Wenn sich jemand tatsächlich von der Technik tyrannisiert fühlen sollte – es gibt noch immer einen Knopf, mit dem man die Geräte ausschalten kann.“
Sein Amtskollege Friedrich Ofenauer aus Markersdorf-Haindorf achtet auch darauf, erreichbar zu sein, rückt aber die Lebensbalance in den Vordergrund: „Sonst läuft man Gefahr, auszubrennen.“ Der Niederösterreicher geht einen Mittelweg: „Wenn ich die Nummer nicht kenne, höre ich die Mailbox ab. Erfahrungsgemäß hinterlassen die Bürger eine Nachricht, wenn sie ein dringendes Anliegen haben.“ Für seine Mitarbeiter ist er immer erreichbar, das gehöre zu einer leitenden Position einfach dazu.
Keine Belastung
Anton Polessnig, Bürgermeister im Unterkärntner Diex, nimmt es mit Humor: „In einer Landgemeinde mit 100 Kilometern Straße kann es im Winter schon recht arg werden. Bei Schneefall sind zwar der Gemeinde-Unimog und zehn Landwirte mit ihren Traktoren unterwegs, trotzdem dauert es seine Zeit. Wenn dann die ersten Beschwerden kommen, dann heißt es informieren, beruhigen, beschwichtigen.“
Seit kurzem ist Polessnig in Pension. Als er noch im Beruf war, hat es eine Aufgabenteilung mit den Gemeindemitarbeitern gegeben. Die waren während der Amtszeiten die Ansprechpersonen in der Gemeinde, ab 16 Uhr und am Wochenende stand Polessnig den Bürgern zur Verfügung.
Als Belastung hat Polessnig die ständige Erreichbarkeit nie empfunden, auch nicht die Beschwerdeanrufe: „Ich bin sogar froh, wenn sich die Leute mit ihren Sorgen an mich wenden. Das ist mein Job.“
In kleinen Gemeinden wie auch in Thomatal im Lungau sind Bürgermeister und Amtsleiter oftmals Mädchen für alles. „Es ist ganz klar, dass wir uns drum kümmern, wenn um fünf in der Früh die Heizung im Gemeindehaus ausfällt“, erzählt Bürgermeister Valentin König.
Schnelle Reaktion
Keine zehn Minuten dauert es, bis Johannes Pirker zurückruft. „Was sich die Bürger hinsichtlich Erreichbarkeit erwarten, hat sich in den letzten 15 Jahren stark geändert“, daher hat der Bürgermeister von Dellach im Drautal erst gar nicht die Mailbox abgehört und gleich zurückgerufen. „Aber die Bürger rufen meist nur an, wenn es dringend ist“, sagt Johann Reschenhofer aus Hochburg-Ach im Innviertel, „etwa wenn ein defekter Hydrant die Straße flutet.“ Wie viele Amtskollegen benutzt Reschenhofer kein Smartphone mit Mailfunktion: „Diese Geräte sind für die Landwirtschaft einfach nicht robust genug.“ Bedarf sieht er schon: „Die zeitnahe Reaktion ist wichtig, aber das kann ich ja auch über meinen privaten Internetanschluss machen.“
Selektiv
„Die Bürger reagieren auch sehr positiv darauf, dass ich für sie direkt erreichbar bin“, sagt der Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel. Aber am Abend schaltet er das Telefon ab und am Wochenende ist die Mailfunktion am Handy deaktiviert. „Wenn dann ein unerfreuliches Mail kommen sollte, das belastet unnötig. Solche Mails haben Zeit, bis ich wieder im Amt bin und sie gleich bearbeiten kann.“ In der Nacht ist er nur über den Pager der Feuerwehr erreichbar, außer der Pass ist gesperrt oder die Lawinengefahr groß, dann bleibt das Handy auch nach 20 Uhr an.
Rund vier von fünf Bürgermeistern waren bei der public-Befragung erreichbar oder haben binnen kurzer Zeit zurückgerufen. Dabei dürfte tatsächlich die Bürgernähe im Vordergrund stehen. So hob der Admonter Bürgermeister Günther Posch zwar sofort ab, reagierte aber mit „Bitte nicht jetzt, ich bin gerade beim Essen!“, als er hörte, dass es „nur“ um eine Presseanfrage ging.