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Kampf dem Ortskern-Tod

Es ist ein vertrautes Bild: Eingekauft wird in großen Shoppingzentren, mehr und mehr Geschäfte in den Ortszentren schließen. In der 2.500-Seelen-Gemeinde Neukirchen an der Vöckla versucht man, diesem Problem mit einer eigenen Gemeindewährung Herr zu werden.
Von Nicole Kranzl

Abschreckende Beispiele gibt es genug“, meint Neukirchens VP-Bürgermeister Franz Zeilinger. „Die Wirtschaft ist tot, die Leute ziehen weg, irgendwann sperren sogar die Wirtshäuser zu. Und dann versucht man, diese Prozesse wieder rückgängig zu machen, ein Unterfangen, das meistens sowieso zum Scheitern verurteilt ist.“ Damit es in der oberösterreichischen Gemeinde erst gar nicht so weit kommt, hat sich der Ortschef ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Durch eine eigene Gemeindewährung soll der Kaufkraftabfluss, mit dem viele ländliche Gemeinden in Österreich zu kämpfen haben, gestoppt werden.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, noch im Frühsommer sollen die ersten Scheine in Umlauf gebracht werden.

Vorbild Langenegg

Einkaufsmünzen oder Gutscheine, die nur in gewissen Regionen Gültigkeit haben, gibt es unzählige in Österreich. Gemeindewährungen sind dagegen eine Seltenheit: Erst in einer Kommune, nämlich im vorarlbergischen Langenegg, wurde ein derartiges Projekt auf die Beine gestellt. Genau dort hat sich auch die Neukirchner Gemeindedelegation Anregungen geholt. „Innerhalb weniger Jahre ist es in Langenegg gelungen, die Gemeindewährung erfolgreich zu etablieren“, so der Neukirchner Bürgermeister. „Mittlerweile werden dort 600.000 Euro pro Jahr über die ortseigene Währung umgesetzt. Dabei ist Langenegg mit 1.000 Einwohnern deutlich kleiner als Neukirchen.“

Die Kaufkraft im Ort halten, zusätzliche Wertschöpfung erzeugen, lokale Nahversorgung und so auch Arbeitsplätze im Ort sichern: Der Neukirchner Gemeindevorstand erwartet sich viel vom neuen Projekt. „Wir wollen handeln, bevor es zu spät ist, denn es ist fast unmöglich, tote Ortszentren wiederzubeleben“, ist sich Zeilinger sicher. „Noch ist die Infrastruktur bei uns relativ gut. Alles, was man zum täglichen Leben braucht, findet man auch – vom Fleischer über den Frisör bis hin zur Bäckerei.“

Im Oktober 2011 gab es einen Informationsbesuch in Langenegg, im März 2012 wurde dann die erste Arbeitsgruppe gegründet. Bis September wurde das Neukirchner Konzept in fünf Gruppen zu jeweils rund fünf Mitgliedern erarbeitet.„An diesem Prozess haben sich Gemeinderäte und Unternehmer, aber auch interessierte Bürgerinnen und Bürger beteiligt“, erklärt Johannes Meinhart vom Regionalmanagement Oberösterreich, der für die Koordination des Projekts zuständig ist. Zur Namensfindung wird mit den Neukirchner Schulen zusammengearbeitet – und auch eine Befragung der Bürger ist derzeit im Gange.

Keine Gutscheine

Feststeht zwar noch nicht, wie die neue Währung genau aussehen oder wie sie heißen soll, andere Details sind aber schon geklärt: Es wird eigene Scheine mit klaren Sicherheitsmerkmalen in Stückelungen von 2, 5, 10, 20 und 50 Euro geben, die bei diversen Abholstellen im Ort gegen Euros gekauft werden können. Durch zwei wesentliche Merkmale wird sich Österreichs zweite Gemeindewährung von den vielerorts verwendeten Gutscheinen unterscheiden: Sie wird nicht nur mit besseren Sicherheitsmerkmalen versehen sein, sondern sich vor allem länger im Umlauf befinden als Gutscheine, die üblicherweise nur einmal gegen Waren eingetauscht werden.

„Der Sinn einer Gemeindewährung ist es, die Menschen dazu zu bewegen, einen Teil des Geldes im Ort zu lassen. Nicht nur die Kunden, sondern auch die Unternehmer“, erklärt der Bürgermeister. Im Klartext: Die Menschen bezahlen beim Nahversorger mit der Gemeindewährung, der kauft damit wieder Produkte ein. Um das tun zu können, muss er aber selbst verstärkt mit heimischen Betrieben zusammenarbeiten, denn nur dort ist die Währung auch gültig.

Um die Gemeindewährung möglichst lang im Umlauf zu halten, haben sich die Arbeitsgruppen einige Besonderheiten einfallen lassen: So erhalten Haushalte und Personen, die ein monatliches Abo beziehen, drei Prozent Rabatt. Außerdem soll eine Rücktauschgebühr von fünf Prozent dafür sorgen, dass man doppelt und dreifach überlegt, bevor man die Neukirchner Gemeindewährung in Euro zurücktauscht.

„Genau deshalb ist es wichtig, so viele Betriebe wie möglich mit ins Boot zu holen“, so der Projektkoordinator Johannes Meinhart. „Von ihnen hängt das Gelingen ab, denn das System kann nur funktionieren, wenn die Leute auch genügend Möglichkeiten haben, die neue Währung auszugeben.“ Rund die Hälfte der etwa 100 ortsansässigen Unternehmer hat an einer ersten Infoveranstaltung teilgenommen, in die Startphase tritt das Projekt, sobald mindestens 15 Betriebe mitmachen. „Wir sind zuversichtlich, dass uns das bis zum Frühsommer gelingt, schon jetzt haben etliche von ihnen zugesagt“, so Meinhart.

Anreize für Unternehmen

ortskernWährend die Gemeindewährung unter den Bürgern gut angenommen wird, gibt es aber vor allem seitens der Unternehmer Bedenken: Sie fürchten, dass die Rücktauschgebühren letzten Endes bei ihnen hängen bleiben. Um diesen Befürchtungen vorzubeugen, wird es eine Deckelung der Rücktauschgebühr für gewisse Summen geben. „So ist gewährleistet, dass auch jeder Unternehmer ohne Nachteile zu einem Partnerbetrieb werden kann“, stellt Zeilinger klar.

Um die neuen Scheine in Umlauf zu bringen, sollen zum Beispiel sämtliche Gemeindeförderungen in Zukunft nur mehr in der ortseigenen Währung ausbezahlt werden. „Wir wollen die Menschen zum Nachdenken darüber bringen, wo sie ihr Geld ausgeben wollen: Welche Folgen hat mein Einkauf in auswärtigen Einkaufszentren und welchen Nutzen bringt es allen Betrieben und Menschen in Neukirchen, wenn ich Waren und Dienstleistungen im eigenen Ort kaufe?“