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Fit für Alter und Arbeit

Eine Kultur des aktiven Alterns in Europa zu fördern – nicht weniger als das hat man sich Anfang 2012 zum Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen vorgenommen. Unzählige Veranstaltungen und Initiativen später ist sich der Sozialminister sicher, dass jedenfalls eines gelungen ist, das Thema gesellschaftlich präsenter zu machen.
Von Nicole Kranzl

Die Menschen werden immer älter. Auch in Österreich verschiebt sich die Altersstruktur deutlich nach oben. Und: Noch nie waren ältere Menschen so gesund, vital, finanziell unabhängig und als aktive Teilnehmer an allen Bereichen der Gesellschaft so interessiert wie heute.

„Wir haben in den letzten 150 Jahren 45 Jahre an durchschnittlicher Lebenserwartung hinzugewonnen. Diese Entwicklung birgt enorme Chancen in sich“, stellt Sozialminister Rudolf Hundstorfer klar. „Damit die aber auch genutzt werden können, sind ein Mentalitätswandel und neue Werte in der Gesellschaft notwendig.“

Im Klartext: Alte Menschen sind nicht Belastung, sondern Bereicherung für die Gesellschaft – Voraussetzung dafür ist aber eine entsprechende Wahrnehmung. Um dieses Umdenken zu forcieren, wurde der Schwerpunkt des Europäischen Jahres deshalb nach Armutsbekämpfung (2010) und Freiwilligkeit (2011) heuer auf aktives Altern und die Solidarität zwischen den Generationen gelegt.

Höhere Ziele

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Ältere, erfahrene Arbeitnehmer sind unschätzbares Potenzial für jedes Unternehmen. Und dennoch sind viele arbeitswillige und arbeitsfähige ältere Menschen auch 2012 dort oft nicht erwünscht.


Vier Ziele hat man sich in Österreich im Europäischen Jahr 2012 gesetzt: die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, den Austausch bewährter Verfahren sowie die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen, die Unterstützung von Entscheidungs- und Interessensträgern zur Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen und die Bekämpfung von Altersdiskriminierung. Koordiniert wurde das Aktionsjahr durch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK). Ein nationaler Lenkungsausschuss mit 55 Mitgliedern aus Ministerien, Ländern, Sozialpartnern, NGOs und Wissenschaft hat sich in den vier Schwerpunkten Arbeitswelt, Teilhabe, Gesundheit sowie Würde und Generationensolidarität mit dem Thema „aktiv altern“ auseinandergesetzt. Ein Ergebnis war neben umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit, die sich nicht nur der Bewusstseinsbildung, sondern auch der kritischen Auseinandersetzung mit täglich transportierten Bildern des Alterns verschrieben hat, unter anderem der „Bundesplan für Seniorinnen und Senioren“ mit dem Titel „Altern und Zukunft“.

Das von Sozialministerium und Bundesseniorenbeirat erarbeitete Dokument beinhaltet Ziele, Vorschläge und Empfehlungen zur Bewahrung und Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen und wurde 2012 vom Bundesseniorenbeirat, der Regierung und dem Nationalrat angenommen. Mit dem Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, dem Freiwilligengesetz, dem Bundesseniorengesetz oder dem Sozialrechtsänderungsgesetz wurden auch andere rechtliche Rahmenbedingungen neu diskutiert und überdacht. Zahlreiche Enqueten zu unterschiedlichen Themen sowie verschiedene Forschungsaufträge rundeten das Programm des Europäischen Jahres auf Bundesebene ab. Behandelt wurden Themen wie die Bildungsbedürfnisse älterer Frauen oder die Kosten der informellen Pflege, für die nun wissenschaftlich fundierte Kenntnisse zur Verfügung stehen.

 

Indikator Gemeinde

„Österreichs Gemeinden spielen als unmittelbarer Lebensmittelpunkt eine besondere Rolle, wenn es ums Thema Altern geht“, zieht Hundstorfer Bilanz. „Es ist die kommunale und regionale Infrastruktur, es sind die Angebote und Maßnahmen der Gemeinden, die maßgeblich darüber entscheiden, wie aktiv, wie engagiert, gesund und gesellschaftlich integriert die Menschen, insbesondere auch die Seniorinnen und Senioren leben können.“

Um die zahlreichen – gerade auf kommunaler Ebene – umgesetzten Maßnahmen für die ältere Generation vor den Vorhang zu holen, haben Volkshilfe und Pensionistenverband gemeinsam mit dem BMASK heuer schon zum fünften Mal die Auszeichnung „seniorenfreundliche Gemeinde“ verliehen. So gab es heuer einen Spezialpreis der Jury für besonders innovative Ansätze an die „Initiative Dorfservice in Kärnten“: Das Netzwerk von zwölf Gemeinden setzt sich seit 2007 für eine altersgerechte Infrastruktur in der ländlichen Region ein. Bestehende Lücken im sozialen Netz sollen durch eine professionelle Koordinierung ehrenamtlicher Leistungen ausgeglichen werden. Die eigens geschaffene „Sozial- und Gesundheitsdrehscheibe“ in jeder der zwölf Gemeinden informiert und vernetzt dazu unter dem Motto „gemeinsam gegen einsam“ jeweils die verschiedenen Pflegedienstanbieter.

„fit2work“ für alle

Aktives Altern und Gesundheit – das sind Bereiche, die nicht nur für den Sozialminister untrennbar miteinander verbunden sind. Mit „fit2work“ haben BMASK, AMS, Arbeitsinspektorat, Bundessozialamt, PVA, AUVA und die Krankenversicherungsträger Anfang Oktober 2011 ein gemeinsames Projekt initiiert, das sich mit speziellen Informations- und Beratungsangeboten an Personen und Betriebe wendet. „Gesundheitliche Probleme führen nicht nur zu Unzufriedenheit und Frustration, sondern sind oft auch mit drohendem Arbeitsplatzverlust und längeren Krankenständen verbunden“, so Hundstorfer. „Dass dringend Handlungsbedarf gegeben ist, zeigen die alarmierenden Ergebnisse der aktuellen Studie „fit2work Arbeits-Fitness-Barometer“.

Demnach leidet die Hälfte der Österreicher an Rückenschmerzen, 33 Prozent kämpfen mit Augenproblemen. Und die Studie zeigt, dass Österreicherinnen und Österreicher durch gesundheitliche Beeinträchtigungen im Durchschnitt 25,5 Arbeitstage

pro Jahr im Krankenstand sind. Unseren Schätzungen nach wäre etwa die Hälfte vermeidbar.“ Das Präventionsprogramm „fit2work“ setzt sich deshalb zum Ziel, mit individueller Beratung dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer ihren Beruf gesund – und mit Freude – ausüben können. „So können auch die heimischen Unternehmen „fitter“ werden und ihre Wertschöpfung langfristig erhöhen“, resümiert der Sozialminister.

Produktiv bleiben

Es ist kein Zufall, dass das Projekt pünktlich zum Europäischen Jahr für aktives Altern begonnen wurde. „Gute Arbeitsbedingungen verringern arbeitsbedingte Krankenstände und Frühpensionen und ermöglichen den längeren und produktiven Verbleib im Arbeitsleben“, betont Hundstorfer. „Und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Erfahrung sind ein unverzichtbares Potenzial an Humanressourcen und Sozialkapital. Sie tragen wesentlich zu Wirtschaftswachstum und Produktivitätsentwicklung bei.“

Österreich hat bezüglich der Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Personen, konkret der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen, deutlich messbare Fortschritte gemacht: Sie stieg laut Eurostat von 28,8 Prozent im Jahr 2004 auf 42,4 Prozent im Jahr 2010. Das entspricht einer Steigerung von satten 13,6 Prozentpunkten. Der arbeitsmarktpolitische Fokus richtet sich damit klar auf den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sowie auf die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben.

„Das ist nicht nur eine gesellschafts- und sozialpolitische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit zur Erhaltung des Arbeitskräftepotenzials in Zeiten des demographischen Wandels“, erklärt Hundstorfer. „Umso wichtiger ist es, längerfristige Präventionsstrategien umzusetzen, um arbeitsbedingte psychische Erkrankungen zu vermeiden.

Eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung in den Unternehmen ist wichtig, und es gibt eine Fülle von Initiativen zur Unterstützung der Betriebe.“ Auch hier spielt generationenübergreifendes Denken eine wichtige Rolle. „Der Prozess des Alterns setzt bereits in der Jugend ein. Also soll altersgerechtes Arbeiten auf jeden Fall schon bei jungen Arbeitnehmern beginnen“, gibt Hundstorfer zu bedenken.