Roland Traunmüller, Professor für Verwaltungsinformatik an der Universität Linz, im Gespräch mit public über die Chancen des E-Governments – und warum Österreich in allen Rankings vorne mit dabei ist, weil es so klein ist.
Von Christian Stemberger
public: Herr Professor Traunmüller, Sie beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit der Informationstechnologie in der Verwaltung. Welches Potenzial hat E-Government?
Roland Traunmüller: Ende der Sechzigerjahre, als ich begonnen habe, haben uns die Datenbanken neue Möglichkeiten und Wege eröffnet. Es folgten einige Innovationswellen. Das E-Government ist davon die letzte und größte, kam in den späten Neunzigerjahren auf und umfasst mehr als nur die Technik. Es – beziehungsweise das Internet – hat die Beziehungen zwischen Bürger und Verwaltung verändert. Nun besteht die Möglichkeit, den Bürger wesentlich stärker einzubinden.
public: Welche Vision hatten Sie damals?
Traunmüller: Ein bayrischer Verwaltungsbeamter hat es bereits 1970 gesagt – die Daten sollen laufen, nicht der Bürger. Also One-Stop-Government. Dieser Gedanke hat das E-Government schon geprägt, da gab es diese beiden Begriffe noch gar nicht.
public: Einer der großen Kritikpunkte in Österreich lautet, dass es zu wenig Verwaltungsverfahren gibt, die im Internet abgewickelt werden können. Dass es sich also in erster Linie um Informationsportale handelt.
Traunmüller: Diese Kritik war einmal zutreffend. In der Zwischenzeit hat sich da viel getan, da sind schon viele Onlineanwendungen dazugekommen. Die größte – Finanzonline – zeigt aber auch die Grenzen durchgängiger digitalisierter Prozesse zwischen Bürger und Behörde auf.
Das Portal ist sehr gut für einfachere Steuerangelegenheiten geeignet, wenn es aber komplex wird, dann hol‘ ich mir erst recht wieder den Steuerberater als Mittelsmann. Und unterschätzen Sie bloß nicht den Wert einer gesicherten Information, die der Bürger schnell und einfach im Internet finden kann. Help.gv.at wird sehr intensiv genutzt, es hat einen sehr hohen Praxiswert. Und wenn es nur um die Frage geht, ob es reicht, den Personalausweis oder auch den Reisepass einzupacken, wenn ich ins Ausland reise.
public: Eine weitere Kritik ist die geringe Nutzung von E-Government.
Traunmüller: Die Profis, also wieder die Steuerberater und die Unternehmen allgemein, die regelmäßigen Behördenkontakt haben, die nutzen es sehr intensiv. Ihnen bringt es ja auch was – dementsprechend haben wir eine sehr hohe Beteiligung. Wenn wir die Nutzung durch Privatpersonen ansehen, da kann man schon sehr zufrieden sein, wenn 30 Prozent der Amtswege auf elektronischem Wege erfolgen.
public: Berauschende Werte sind das nicht.
Traunmüller: Man muss E-Government als einen von mehreren Kanälen sehen, die alle ihre Berechtigung haben. Persönlicher Kontakt, Telefon, Internet – das ergänzt sich. Und was man davon nutzt, ist auch eine Kulturfrage. Die Älteren kennen oft jemanden, den sie gern persönlich kontaktieren, besonders auf der Gemeindeebene. Die Jugend ist für E-Government empfänglicher – gerade das Handy schafft Freude an Medienkontakten. Das muss man berücksichtigen – Stichwort Mobile-Government – und die Inhalte entsprechend aufbereiten, damit sie auch am Handy gut lesbar sind.
public: Aus Sicht des Bürgers muss man heute vor allem die Zeitersparnis hervorheben?
Traunmüller: Das auch, aber nicht nur. Der Bürger will so wenig Behördenkontakt wie unbedingt nötig, wenn es nicht gerade die ihm persönlich bekannten Ansprechpersonen in seiner Heimatgemeinde sind. Da gilt noch immer das alte Sprichwort: Gehe nicht zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst. Entsprechend beliebt ist die Möglichkeit der relativ anonymen Abfrage über das Internet.
public: Österreich führt ja regelmäßig die europäischen E-Government-Rankings an. Welches würden Sie im Ausland nennen, wenn Sie jemand nach dem österreichischen Vorzeigeprojekt fragt?
Traunmüller: Den ELAK. Den haben wir international viel zu wenig verkauft. Ein fantastisches System für alle Ministerien, und das alles mit einer einzigen Datenbank. Der „Elektronische Akt“ ist eine echte Erfolgsgeschichte.
public: Wie hat E-Government die Zusammenarbeit in der Verwaltung verändert?
Traunmüller: Auf die Beziehungen zwischen Behörden hat es bislang zu wenig Einfluss gehabt. Da kommt die Revolution noch. Was heute in der Verwaltung über das Internet passiert, das läuft auf der Aktenebene ab. Die Ebene über den Akten, also die Ebene der informellen Zusammenarbeit, die funktioniert heute noch ganz traditionell – übers Telefon, in Sitzungen. Aber auch das wird sich ändern und viel stärker auf elektronischem Weg, auch über Videokonferenzen, ablaufen.
public: Wie profitieren die kleinen Verwaltungseinheiten, insbesondere die Gemeinden?
Traunmüller: Im Bürgerkontakt derzeit noch wenig. Eine Chance ist die Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Aber die Kleinen haben offen gestanden ein Problem. Die müssen sich immer irgendwo anhängen, im Konvoi fahren, denn allein schaffen sie es nicht. Denn am besten kann man E-Government-Dienste in einer Stadt mit mehr als einer Million Einwohner etablieren.
public: Und wie verträgt sich E-Govern-ement mit dem Föderalismus?
Traunmüller: Das ist eine zweischneidige Angelegenheit. Der Föderalismus macht schon alles komplizierter. Aber er ist auch eine Chance, dass die Dinge in Bewegung kommen. Durch ihn erhalten innovative Vordenker die Chance, etwas im Kleinen auszuprobieren und so E-Government voranzutreiben. Haben diese Pioniere Erfolg, dann erkennen die anderen die Sinnhaftigkeit und ziehen nach.
public: Also die Umsetzung von E-Government funktioniert im Kleinen besser?
Traunmüller: Das ist ja auch mit der Grund, warum Österreich in allen Rankings vorne ist – bezeichnenderweise gemeinsam mit Ländern wie Dänemark oder Holland. Wir haben die ideale Größe. Da wollen nicht allzu viele mitreden. Und man kann jedes IT-Projekt kaputtmachen, wenn man zu viele mitreden lässt. Das erklärt natürlich nicht alles. Dass wir uns da besonders angestrengt haben und dass unsere Verwaltung von Haus aus gut ist, ist ein anderer Grund.