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Einen Renzi bitte

Österreich wartet auf die politische Heilung durch einen verhaltensoriginellen Milliardär. Italien hat das schon hinter sich. Dort ist es ein junger Bürgermeister, der sich gegen das eigene Partei-Establishment und die sklerotische Politik erhebt.
Von Martin Schwarz

Debatte_Ortsgespraech

Bildnachweis: LeaW

Florenz hat’s gut. Die Stadt hat nicht nur Michelangelos David, der die Steinschleuder gegen Goliath ansetzt, sondern auch einen Bürgermeister Renzi, der heftige Worte gegen den Riesen Korruption und die alte Politikergarde schleudert.


Was ist der Unterschied zwischen Österreich und Italien? Jetzt mal abgesehen von der Regelmäßigkeit der Müllabfuhr in einigen Landstrichen, der Anzahl der Sonnentage und der Mieselsucht-Quote. Natürlich jener: In Italien wurde ein verhaltensorigineller greiser Milliardär mit Vorliebe für Brachialrhetorik von der Macht entfernt. In Österreich dagegen will ein verhaltens-origineller greiser Milliardär mit Vorliebe für Brachialrhetorik nach der Macht greifen.

Im Unterschied liegt auch eine Gemeinsamkeit: Beide Milliardäre haben die totale Selbstdemolierung der etablierten Parteien genutzt, um in die Politik einzusteigen. Berlusconi in Italien genau wie Frank Stronach in Österreich.

Und in beiden Ländern haben die etablierten Parteien die Gefahr, die ihnen da dräut, nicht kommen gesehen, indigniert die Nase ob des seltsamen Herausforderers gerümpft, ihn verächtlich gemacht, ihre Tatgemeinschaft in den Disziplinen Korruption, Proporz und Intransparenz politischer Entscheidungen noch eher verfestigt. Die Koalitionsparteien haben das erst vor wenigen Wochen mit dem Abwürgen des U-Ausschusses zur Korruption in diesem Lande eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Italien immerhin dürfte mittlerweile die politische Halluzination Berlusconi hinter sich gebracht haben, in der Rückschau war es wohl eine Phase, in der die Fehler und die Untugenden der alten Parteien einfach nur von einem einzigen Mann zur Perfektion geführt wurden.

Dort gilt nun ausgerechnet ein junger Bürgermeister als neuer Hoffnungsträger.

Matteo Renzi, in der politischen Gerontokratie Italiens mit 37 Jahren ein echter Jungspund, ist der Popstar der italienischen Politik. Mit einem Wohnmobil tourt er durchs Land, kopiert in Auftreten und Stil ein bisschen Obama und will die Politik wachrütteln, die alten Politiker herausfordern – übrigens auch jene aus seiner eigenen Partei, der linksliberalen Partito Democratico.

„Alles laden die Politiker ab, wo es am einfachsten ist: in der Zukunft. Die Zukunft als Müllhalde aller Probleme“, wiederholt er immer wieder bei seinen Auftritten. Renzi will Spitzenkandidat seiner Partei bei den nächsten Wahlen werden, er hat gute Chancen, ist zum Albtraum der Partei-Nomenklatura in Rom geworden. Vielleicht schafft er es, vielleicht auch nicht, vielleicht wird er mit den Jahren auch nur zu einer weiteren Enttäuschung. Aber zumindest hat die Frustration über die Umstände einen Renzi hervorgebracht, einen Bürgermeister, dem Bürgermeister-Sein nicht genug ist, auch wenn er eine Millionenstadt wie Florenz managen muss.

Österreich verharrt noch in der Prä-Berlusconi-Phase. Für einen Bürgermeister Renzi scheint die Zeit noch nicht reif. Und nein, Michael Häupl ist eindeutig kein Ersatz.