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Park & Streit

Es war ein langer und steiniger Weg bis zur fairen Ausarbeitung der Instandhaltungs- und Wartungsverträge für die Park & Ride-Anlagen der ÖBB. Den Tribut dafür zahlen drei niederösterreichische Gemeinden heute noch.
Von Nicole Kranzl

Fast jeder kennt die Parkhäuser, aber kaum jemand ihre bürokratischen Hintergründe. Und dass jene Gemeinden, in denen ÖBB und Länder die so genannten Park & Ride-Anlagen errichtet haben, für deren Instandhaltung zuständig sind, wissen ebenfalls die wenigsten.

Doch das wahre Problem liegt noch tiefer: In jenen Verträgen, die vor 1994 geschlossen wurden, ist nicht einmal genau geklärt, wie weit die Verpflichtungen der Kommunen tatsächlich reichen. Drei niederösterreichische Gemeinden kämpfen nach wie vor mit den Tücken dieser Uraltverträge – jede auf andere Art.

Musterverträge aus NÖ

Die Weichen für die Errichtung von Park- & Ride-Anlagen wurden in den 1990er-Jahren in Niederösterreich gestellt: In einem Landtagsbeschluss von 1994 wurde ein Schlüssel für die Übernahme der Errichtungskosten festgelegt. 50 Prozent übernehmen demnach die ÖBB, die übrigen 50 teilen sich Land und Standortgemeinde. Der von den Gemeinden zu tragende Teil richtet sich nach der so genannten Finanzkraftquote, die von der Abteilung Gemeinden des Landes jährlich neu bestimmt wird: Finanzstärkere Gemeinden beteiligen sich zu 15 Prozent, schwächere zu fünf Prozent an den Errichtungskosten. Der durchschnittliche Beitrag der Gemeinden liegt aber bei zehn Prozent.

Die Gemeinden übernehmen dafür die Betreuungspflicht für die Parkhäuser – quasi als Ausgleich für ihre geringe Beteiligung an den Errichtungskosten. „In diesen Wartungsverträgen verpflichten sich die Gemeinden zur Instandhaltung der Parkhäuser“, so Thomas Aichinger, der zuständige Bearbeiter im Amt der NÖ Landesregierung. „Die Instandhaltung umfasst neben der Reinigung und der Schneeräumung auch kleinere Arbeiten – etwa abblätternde Farbe zu erneuern. Größere Arbeiten und die komplette Sanierung fallen aber in den Zuständigkeitsbereich der ÖBB.“ Seit 2005 gibt es in Niederösterreich einen Mustervertrag, auf dem auch die Regelungen der übrigen Bundesländer basieren – und in dem die Aufgaben der einzelnen Vertragspartner klar definiert sind. „In den neuen Verträgen wird zwischen Instandhaltung, für die die jeweilige Standortgemeinde zuständig ist, und Instandsetzung unterschieden“, erklärt Aichinger. „Für die Instandsetzung, die im Prinzip alle Arbeiten am Gebäude umfasst, sind demnach klar die ÖBB zuständig.“ Doch das war nicht immer so.

„Juristisch bedenklich“

Die neuen Musterverträge nutzen jenen Gemeinden freilich nur wenig, deren Verträge älter sind. Denn in den Übereinkommen, die vor 1994 getroffen worden sind, wurden die Verpflichtungen der Gemeinden in nur einem einzigen Satz zusammengefasst: „Die Gemeinde ist für die Erhaltung des Gebäudes zuständig.“ Für Martin Prokopp, jenen Rechtsanwalt, der die Interessen der Marktgemeinde Leobersdorf in dieser Sache vertritt, ist diese Formulierung aus juristischer Sicht mehr als problematisch. „Sollte es wirklich zu einem Zwischenfall aufgrund des desolaten Gebäudes kommen, würde zwar nach außen die ÖBB als Eigentümerin des Gebäudes haften, doch auch für die Gemeinde bleibt ein Restrisiko bestehen“, so Prokopp. „Denn immerhin ist die Gemeinde laut Vertrag zur Erhaltung des Parkhauses verpflichtet. Das ist ein sehr weit gefasster Begriff, der in der Judikatur großen Interpretationsspielraum offenlässt. Unter „Erhaltung“ fallen prinzipiell alle Bauarbeiten – auch der Austausch schadhafter Teile. Nur der Neubau des Gebäudes ist ausgenommen.“

Tatsächlich ist der Rechtsstreit um das Leobersdorfer Parkhaus keineswegs neu: Schon bei der Endabnahme im Jahr 1998 ließ Bürgermeister Anton Bosch auf Gemeindekosten ein Sachverständigengutachten einholen, in dem mehrere Baumängel bestätigt wurden. „Wir haben dieses Gebäude schon mit schwersten Mängeln übernommen, sind aber laut Vertrag zur Erhaltung, Instandhaltung und Wartung verpflichtet – und das auf Gemeindekosten“, so Bosch. „Die Art und Weise, wie dieses Parkhaus errichtet worden ist, ist für uns als Gemeinde einfach untragbar. Das obere Deck ist im Winter de facto nicht benützbar, da es unmöglich ist, die enge Auffahrtsrampe und die Parkebene ordentlich von Schnee und Eis zu befreien.“

„Mängel behoben“

Herbert Sollath von der Abteilung Unternehmensrecht, Forderungs- und Schadensmanagement der ÖBB räumt ein, dass es beim Bau des Leobersdorfer Parkhauses einige Mängel gegeben habe. „Die sind aber mittlerweile behoben worden. Die Gemeinde dagegen hat ihre Verpflichtung zur Erhaltung und Instandhaltung des Gebäudes von Anfang an vernachlässigt“, so Sollath. Für eine Einigung scheinen die Fronten schon fast zu verhärtet, denn die ÖBB knüpfen die Überdachung an den Abschluss eines neuen unbefristeten Vertrages, dessen Details Sollath aber nicht öffentlich nennen will. Die Marktgemeinde besteht ihrerseits aber auf einem auf 20 Jahre befristeten Vertrag.

Keine Kündigungsmöglichkeit

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Mehrmals hat Leobersdorf bereits versucht, den 1990 geschlossenen Vertrag zu kündigen – doch genau diese Möglichkeit ist in den Uraltverträgen überhaupt nicht vorgesehen. „Diese Instandhaltungsverträge wurden auf die Lebensdauer der Parkdecks ausgerichtet“, erklärt der zuständige Bearbeiter des Landes NÖ. „Erst in den neuen Verträgen gibt es die Möglichkeit des Vertragsaustritts, wenn einer der Partner seine Pflichten grob vernachlässigt.“ Für den Leobersdorfer Bürgermeister eine unhaltbare Tatsache. „Wo sonst gibt es denn bitte Verträge, die man nicht kündigen kann? Und das, obwohl dieser Vertrag nachweislich unserer Gemeinde schadet?“, so der Ortschef, der neben der Bauweise auch die Kostenaufteilung bekrittelt.





Streitpunkt Kostenaufteilung

„Wir sind die einzige Gemeinde, die für die Instandhaltung des Parkhauses sorgen muss – und das, obwohl nur ein Bruchteil der parkenden Autos auch aus Leobersdorf stammt“, so Bosch. „Im Klartext heißt das, dass wir zu 100 Prozent für etwas bezahlen, was wir nur zu 15 Prozent nutzen. Zu einer Adaption des Vertrages, der auch die anderen Gemeinden aus dem Einzugsgebiet verpflichtet, war die ÖBB bisher nicht bereit. Uns aber kostet die Instandhaltung des Parkhauses jährlich zwischen 30.000 und 40.000 Euro.“ Mit dieser Problematik ist man auch in Wiener Neustadt vertraut. Auch dort gibt es ein Parkhaus, dessen Wartung in einem alten Vertrag geregelt ist. „Aber wir sind im Gegensatz zu kleineren Gemeinden mit zentralörtlichen Aufgaben betraut“, so Thomas Iwanschitz, Leiter der Medienservicestelle der Stadt. „Das Problem, dass nur wenige Einheimische jene Einrichtungen nutzen, für die wir zur Gänze bezahlen, ist nichts Neues für uns. Und es gibt eben leider keinen bezirksweiten Finanzausgleich.“



Sanierung auf Gemeindekosten?

Was bleibt, ist die problematische Bauweise der alten Parkhäuser, von der man mittlerweile bewusst Abstand genommen hat. Neue Parkhäuser werden immer überdacht, weil sich im Lauf der Jahre gezeigt hat, dass bei offenen Anlagen vor allem das Streusalz die komplette Konstruktion angreift. Jenen Standortgemeinden aber, die noch alte Gebäude zu warten haben, hilft das wenig. In Krems, der dritten niederösterreichischen Gemeinde mit altem Vertrag, konnte mittlerweile eine Einigung im Hinblick auf die Sanierung getroffen werden. 2011 ist man dort auch auf den neuen Mustervertrag umgestiegen. In Wr. Neustadt ist man davon weit entfernt. „Die oberste Ebene unseres alten Parkhauses musste mittlerweile bis zu ihrer Stabilisierung und Sanierung sogar gesperrt werden“, so Iwanschitz. „Wir als Gemeinde müssen uns auch an diesen Kosten beteiligen – immerhin mit 15 Prozent. So sieht es der alte Vertrag vor.“ Dass diese generelle Zuständigkeit auch in Haftungsfragen ein Problem darstellt, räumt Iwanschitz ebenfalls ein. „Allerdings wurde mittlerweile ein zweites Parkhaus errichtet – und zwar in einer wesentlich weniger problematischen Bauweise.“

Ankauf abgelehnt

Der Leobersdorfer Bürgermeister gibt sich in dieser Sache wesentlich weniger gelassen. „Wenn der Vertrag nicht entsprechend adaptiert wird, sehen wir uns gezwungen, ihn zu kündigen. Wenn das nicht ohne Angabe von Gründen geht, dann eben aufgrund der nach wie vor vorliegenden eklatanten Baumängel“, so Bosch. Er hat den ÖBB sogar schon angeboten, ihnen das Parkhaus abzukaufen. „Dann könnten wir wenigstens selbst die notwendigen baulichen Maßnahmen einleiten“, so der Bürgermeister. Von dieser Lösung wollen aber die ÖBB wiederum nichts wissen. „Wir haben die Befürchtung, dass das Parkhaus dann nicht mehr allen Bahnkunden gleichermaßen zur Verfügung stünde. Und es ist nicht im Sinn der Sache, eine Park & Ride-Anlage gebührenpflichtig zu machen.“

Zumindest in einer der drei Gemeinden dürfte damit der Rechtsstreit mit den ÖBB noch lange nicht zu Ende sein.