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Liquiditätsfalle

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Auch im März hat das Sparpaket-Thema nicht an Spannung eingebüßt. Wenn es auch einige konkretere Ansätze und Informationen gibt, hat sich die Verunsicherung bei den Gemeindevertretern eher gesteigert.


Beim Sparpaket stehen die Gemeindebund-Präsidenten zwischen verunsicherten Bürgermeistern und Baldrian verteilenden Bundes- und Landespolitikern. Dass die Hälfte der Herren selbst einem Landtag angehört, wird die regionale Umsetzung des Sparpakets zusätzlich spannend machen. Von Arno Miller

Unsere Gemeinden trifft allein die Vorsteuer-Sache mit 20 Millionen Euro pro Jahr.“ Noch können nicht alle so konkrete Zahlen nennen wie der Präsident des Oberösterreichischen Gemeindebunds Johann Hingsamer. Die meisten anderen rechnen noch, was ihre Kommunen das Sparpaket, pardon: Stabilitätsgesetz 2012 kosten wird. Zumal bei Redaktionsschluss die Novellen von neun betroffenen Spezialgesetzen in wichtigen Details noch offen waren. Dank UHBP bleibt auch fürs Feilschen mehr Zeit, als den beiden Regierungsparteien lieb sein dürfte.

Doch von vornherein stand fest: An der Substanz wird sich nichts ändern. Von den Verhandlungen bewusst ausgeschlossen, können Österreichs Gemeinden als unterste Staatsebene bestenfalls mit Brosamen rechnen, die sich im Ein-Monat-früher-oder-später-Bereich bewegen, wann die Vorgaben in Kraft treten. Eine zugegeben unbefriedigende Situation für die Bürgermeister-Vertreter auf Länderebene. Länderebene. „Das Sparpaket stellt Gemeinden vor gewaltige Herausforderungen“, replizierte Salzburgs und National-Gemeindepräsident Helmut Mödlhammer Ende Februar das bis dahin bekannte Szenario eher defensiv.

Rechtsunsicherheit

Vor allem der Verlust der Vorsteuerabzugsfähigkeit für KG-Modelle traf viele Bürgermeister mit der Keule. Die Herren Präsidenten stellten sich alle dieselben Fragen: Was ist mit den Projekten, die schon angelaufen sind? Wie weit muss ein Projekt gediehen sein, dass …? Welche Übergangsfristen gibt es? Hat es einen Sinn, wenn ich jetzt g‘schwind die Bagger auffahren lasse? Und: Bleibt der Vorsteuerabzug für Kommunaleinrichtungen, die schon in Betrieb, aber noch nicht abbezahlt sind? „Wenn nicht, dann droht einigen Gemeinden die Liquiditätsfalle!“, beschwört der Tiroler Gemeindepräsident Ernst Georg Schöpf aus Sölden den Worst Case. Für seinen steirischen Kollegen Erwin Dirnberger steht fest, in bestehendes Vertragsrecht darf nicht eingegriffen werden: „So viel Rechtssicherheit muss sein!“ Darüber hinaus gibt er sich jedoch keinen Illusionen hin: „Das andere werden wir nicht verhindern können.“



„Ein Sparpaket, das niemandem wehtut, ist keines“, konstatiert auch Vorarlbergs Gemeindepräsident mit alemannischer Nüchternheit. Harald Sonder-egger: „Es tut im Moment weh, aber man wird sich mittelfristig an die neuen Rahmenbedingungen anpassen.“ Die Verunsicherung bei vielen Kollegen sei allerdings groß, belegen zahlreiche Anrufer, die vor allem die vorgesehenen kurzen Fristen für unangemessen halten: „Da hoffen wir noch auf gesetzliche Abfederungen“, erklärte er Anfang März. „Es geht darum, dass wir Gemeinden fair behandelt und wahrgenommen werden!“

„Es ist schon kritisch anzumerken, wie das gelaufen ist“, hält Ferdinand Vouk, Präsident des Kärntner Gemeindebunds, fürs Geschichtsbuch fest. „In einer Sozialpartnerschaft sollten alle am Verhandlungstisch sitzen. So wird das Ganze jetzt durch Nachverhandlungen mit den Ländern verkompliziert.“



Woher nehmen?


Was Bundessteuern anlangt, sind die Bomben bereits hochgegangen, doch im Innenverhältnis mehrerer finanziell labiler Bundesländer sind die Zeitzünder noch nicht einmal montiert. Irgendwo müssen die 5,2 Milliarden Euro schließlich herkommen, die die Länder als ihren „Stabilitätsbeitrag“ paktiert haben. „Es wird notwendig sein, Einsparungspotenziale zu orten“, befürchtet Vouk ein Hauen und Stechen. Im Kärntner Gemeindereformkonvent, in dem seit einem halben Jahr mehrere Arbeitsgruppen mit dem Land über sparsamere Verwaltung und mehr Gemeindeautonomie diskutieren, drängt er „auf eine klare Entlastung der Gemeinden“.

Über der Pack steckt auch Dirnberger mitten in Verhandlungen. Für ihn kommt das Stabilitätsgesetz politisch zur Unzeit. Zwar gebe es keinen unmittelbaren Zusammenhang, sagt der Präsident, doch das Sparpaket verleihe der Gemeindestrukturreform „zusätzliche Brisanz: Es gibt viele Städte und Gemeinden, die von Abwanderung betroffen sind“. Da die Ertragsanteile pro Kopf ohnehin unter dem österreichischen Durchschnitt liegen und die geplanten Gemeindezusammenlegungen „erst mittelfristig etwas bringen“, macht das nicht eingeplante Sparpaket die Überzeugungsarbeit für Reformen nicht einfacher. Denn noch fehlt auch Dirnberger der rechte Glaube, „dass alle Steuern kommen, wie geplant …“. Womöglich, sinniert Dirnberger, ergebe sich statt des über den Finanzausgleich versprochenen Plus’ am Ende für die Gemeinden sogar ein Minus.

Fakten oder Illusionen?

Entspannter wird die Situation anderswo gesehen, wie sich der Sparzwang der Länder auf die Gemeinden auswirkt. Die Tiroler werde es „nicht am linken Fuß treffen“, versichert Gemeindepräsident Schöpf, denn gerade im heiklen Gesundheits- und Pflegebereich bestehe mit dem Land ein Arbeitsprogramm. Aus dieser Ecke drohe auch in Niederösterreich keine Gefahr, meint Alfred Riedl, Präsident der niederösterreichischen Gemeindevertreter, und glaubt wegen der „guten Gesprächsbasis“ nicht, „dass wir vom Land Lasten übertragen bekommen. Wir erwarten keine Kollateralschäden“. Ohne Aufsehen, fügt er an, habe Niederösterreich schon in den letzten Jahren enorm viel bei der Verwaltung eingespart und beim Personal gekürzt. Sein sozialdemokratisches Pendant Rupert Dworak sieht erst gar „keinen Bedarf, mit dem Land zu reden“. Die Schrauben sollten anderswo angezogen werden: „Für die Grundsteuer gehört bei Bauland einfach einmal der Realwert festgestellt! Und Umwidmungen: Durch sie haben die Gemeinden unzählige Leute über Nacht zu Schilling-Millionären gemacht. Das muss sich bei der Abgabe niederschlagen.“