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Für das Leben lernen wir

Hakoah Sport- und Freizeitanlage, Maimonides-Zentrum und Zwi-Perez-Chajes-Schule in der Wiener Leopoldstadt spielen gemeinsam ein Lehrstück für Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsorientierung. Drei kurze Geschichten – und umfassende Bauten für eine hoffentlich lange positive Zukunft.

Von Paul Christian Jezek

Erstens, eine Lehre aus der Vergangenheit. Die Wiener Hakoah (hebräisch „Kraft“) zählt zu den traditions – und erfolgreichsten Sportvereinen überhaupt. Gegründet wurde dieser 1909 als Folge des gestiegenen Selbstbewusstseins liberaler Juden und der veränderten Einstellung zur Körperkultur. Ein zweiter wichtiger Grund war die Ausgrenzung der Juden von anderen Sportvereinen. Nachdem die jüdischen Bürger in Wien zu jener Zeit mit rund 180.000 Personen eine große Gemeinschaft waren, erfreute sich die Hakoah regen Zustroms. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Sportbetrieb ausgebaut und Sektionen wie Eishockey, Schach, Ski-Touristik, Tennis, Tischtennis, Hand- und Wasserball kamen dazu.

Damit wurde die Hakoah zu einem der mitgliederstärksten Sportvereine Österreichs. Der Enthusiasmus der Hakoahner der Zwischenkriegszeit führte zu zahlreichen nationalen und internationalen Titeln (auch bei Olympischen Spielen), der Verein war der größte Amateur-Allround-Klub weltweit mit bis zu 6.000 Mitgliedern.

1938 wurden die Vereinsstätten beschlagnahmt, das Fußball- und Sportstadion in der Krieau von der Gemeinde Wien an die SA-Standarte 90 verpachtet. 1941 wurde der Name Hakoah offiziell ausradiert – es folgte die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Aber kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hakoah von Überlebenden und Rückkehrern neues Leben eingehaucht. Heute interessiert sich die jüdische Jugend in Wien wieder verstärkt für den Sport, und die Hakoah registriert starken Zulauf.

Alt, aber jung

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Trotz negativer Vergangenheit ein positives Zeichen für die Zukunft: das neue, elegant-funktionale Hakoah-Sportzentrum.

Bildnachweis:
Alpine


Zweitens, das Treffen der Generationen. Zunächst aus der Sicht der Senioren. Charlotte Lea Merores, geb. Itzeles, verstarb 1896 kinderlos und vermachte ihr gesamtes Vermögen der „Stiftung Waisenhaus für israelitische Mädchen“. Aus den Mitteln dieser Stiftung errichtete man 1902 in der Bauernfeldgasse 4 im 19. Bezirk ein Mädchenwaisenhaus, das 1942 enteignet wurde. Drei Jahrzehnte später wurde dort das Seniorenheim der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) der Bundeshauptstadt als Maimonides-Zentrum ausgebaut. Viele der Bewohner waren erst im hohen Alter wieder in ihre ehemalige Heimat zurückgekehrt. Traumatisiert von den Ereignissen während der NS-Zeit bedürfen sie besonderer Betreuung und Pflege. Trotz zahlreicher Adaptierungen und räumlicher Verbesserungen konnte das alte Gebäude in der Bauernfeldgasse nach all den Jahren jedoch nicht mehr auf den Stand moderner pflegerischer Ansprüche gehoben werden.

Drittens, die jungen Juden in Wien. Das erste jüdische Privatrealgymnasium wurde 1919 in der Drahtgasse 4 eröffnet. Da der Staat Österreich und die Gemeinde Wien nicht zu Subventionen bereit waren, musste die Schule ausschließlich von Schulgeldern, Spenden und Subventionen seitens der jüdischen Gemeinde erhalten werden. Das Gymnasium wurde überwiegend von galizischen Juden besucht, die nach dem Ende der Monarchie zu Ausländern wurden und nicht an öffentlichen Schulen aufgenommen wurden. 1939, nach dem „Anschluss“ Österreichs ans Deutsche Reich, schloss das NS-Regime die Schule. 2006 erfolgte die Grundsteinlegung für den neuen ZPC-Campus am Standort Simon-Wiesenthal-Gasse im Dreieck zwischen Ernst-Happel-Stadion, Handelskai und U2.



 

Und was daraus geworden ist

Am Beginn des neuen Jahrtausends konnten diese drei Elemente zu einem Projekt zusammengeführt werden, das den Startschuss für den Weg zu früherer Größe gab. Umfassende Bauarbeiten fanden statt – auf jenem Grundstück im Wiener Prater, das von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden war. Den Sportplatz hatte die Hakoah 2002 auf der Grundlage des Washingtoner Abkommens zur Entschädigung für den Vermögensraub der Nazis zurückbekommen. Projektiert wurde die Anlage damals für eine jüdische Gemeinde mit rund 20.000 Mitgliedern. Derzeit verfügt die IKG über rund 7.000 Mitglieder, insgesamt leben etwa 15.000 Juden in Wien. Der Betrieb wird über Jahresmitgliedschaften, die Überlassung der Sportanlagen an die Schule und andere Sportler und auch über nicht-jüdische Nutzer finanziert. Als Generalunternehmer mit einem Gesamtauftragsvolumen von mehr als 18 Millionen Euro wurde Alpine gewonnen. Ein sehr spannendes Projekt für das Unternehmen – schon aufgrund der zahlreichen Gewerke für Synagoge, Sauna, Schwimmbad, Tennisplätze, Großküchen, Kindergarten, Volksschule, Gymnasium, Sporthalle, Außenanlagen etc.

Ein mahnendes Detail zum Abschluss: Besonders kostenintensiv sollen die Sicherheitseinrichtungen gewesen sein ...