Foto: Michael de Werd
Es gibt kein besseres Zeichen, dass zwei Länder eng miteinander verbunden sind, als wenn sie einen Doppelnamen führen. Im alten Österreich-Ungarn gab es zwar verschiedene Sprachen, aber die Kultur und das Herrscherhaus waren die Klammer, die das Ganze zusammenhielten durch die gemeinsame Kultur und das Herrscherhaus. Nirgendwo ist diese Vergangenheit so präsent wie in Bad Ischl und Gödöllö. Während Bad Ischl früher die Sommerresidenz der Habsburger war, ist Gödöllö der Ort, wo die legendäre Kaiserin Elisabeth alias Sisi sich am liebsten aufhielt. Es war darum fast logisch, dass beide Städte 2013 eine Partnerschaft schlossen. Von Michael de Werd
Seine Rolle als Besuchermagnet verdankt Gödöllö den Habsburgern. „Das Schloss ist das Gesicht von Gödöllö“, meint Bürgermeister György Gémesi. “Der Tourismus ist für uns ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und der Mittelpunkt davon ist das Schloss.“ Es ist passend, dass Gémesi sein Büro im alten Bahnhof hat, wo sich früher die Kaiserfamilie von der Anreise erholte. Trotzdem hat es lange gedauert, bis Gödöllö auch wirtschaftlich von seiner Vergangenheit profitieren konnte. Als Franz Joseph und Elisabeth 1867 zu König und Königin von Ungarn gekrönt wurden, bekamen sie das Schloss als Krönungsgeschenk. Die exzentrische Elisabeth, die von den Ungarn fast abgöttisch verehrt wurde, fand hier ihr Refugium, wo sie der Strenge des Wiener Hofes entfliehen konnte.
In der Zwischenkriegszeit wurde der Komplex vom Reichsverweser Horthy noch für repräsentative Zwecke verwendet, aber als die Sowjets 1945 einmarschierten, brachen düstere Zeiten an. Während die Hälfte des Schlosses zu einem Altersheim umfunktioniert wurde, wurde im übrigen Teil die Rote Armee einquartiert. „In meiner Kindheit war es ein gefährlicher Ort“, erinnert sich Gémesi. „Die einzigen, die das Schloss besuchen konnten, waren die Angehörigen der Bewohner des Altersheimes.“ Selber hat er das Gebäude erst 1996 von innen sehen können. Seitdem wurden immer mehr Teile für das Publikum geöffnet. Für echte Sisi-Fans ist ein Besuch ein Pflichtprogramm. Die oft in veilchenblau gehaltene Räume sind voll von Erinnerungen an die Kaiserin. Ein paar Zimmer sind der Zeit gewidmet, als das Gebäude eine Kaserne war.
Die neuen Kleider der Kaiserin. 1990 wurde Gémesi zum ersten demokratischen Bürgermeister von Gödöllö gewählt, eine Funktion, die er bis heute behalten hat. „Das Erste, was sich damals änderte, war die Mentalität. Freiheit ist Freiheit.“ Eine große Priorität hatte für ihn eine moderne Infrastruktur. „1990 gab es bei einer Bevölkerung von 30.000 gerade 2.000 Telefone. Für die Kommunisten war es wichtig, dass die Leute nicht über sie reden konnten. Ab 1996 konnte aber jeder um einen günstigen Preis einen Telefonanschluss bekommen.“ Passend zur neuen Weltoffenheit sind die 19 Partnerstädte, die Gödöllö auf der ganzen Welt hat. „Mit Bad Ischl haben wir eine von den besten Beziehungen“, erzählt Gémisi. Ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit war eine Ausstellung mit historischen Gewändern, wie sie damals Kaiserin und Königin Elisabeth getragen hat. „Wir haben hier eine sehr gute Kostümbildnerin, die insgesamt 15 Kleider genau nachgemacht hat.“
Mit dem damaligen Bürgermeister von Bad Ischl, Hannes Heide, hat Gémesi einen sehr guten persönlichen Kontakt. Dies konnte nahtlos fortgesetzt werden, als Heide 2019 ins europäische Parlament wechselte und seine Lebenspartnerin Ines Schiller die neue Bürgermeisterin wurde. Als ehemalige Sozialstadträtin war Schiller vom Anfang eng bei den Städtepartnerschaften involviert. Wie ihr Kollege in Gödöllö ist sie voll des Lobes über die Partnerstadt: „Wir werden immer mit offenen Armen empfangen und es wird immer geschaut, dass etwa los ist bezüglich Veranstaltungen.“ Und obwohl die finanziellen Möglichkeiten in Österreich größer sind, können die Ischler laut Schiller durchaus etwas von Gödöllö lernen: „Es ist eine Stadt, wo sich sehr viel bewegt. Wir haben beim letzten Mal zum Beispiel das neue Kulturhaus und das Begegnungszentrum besucht.“
Kein verkappter Monarchismus. Wie fast überall hat die Coronapandemie für eine gezwungene Pause in der Partnerschaft gesorgt. Aber wie Schiller erzählt, ist inzwischen wieder ein Neunanfang gemacht worden: „Wir haben mit Gödöllö gemeinsam Sporturniere gehabt. Daneben gibt es einen ständigen Künstleraustausch, wo wir eingeladen werden und wo wir einladen.“ Wenn Stadtfeste stattfinden, sind die Partnerstädte immer mit Musikgruppen oder Vereinen vertreten. In diesem Jahr wird es auch ein spezielles Projekt für junge Kunstschaffende geben: „Wir möchten Jugendliche zwischen 19 und 26 gewinnen bei einer Vernissage mitzumachen. Eine Jury wird bewerten und die Gewinner werden einen Aufenthalt in der Partnerstadt als artist in residence machen können.“
Wie das Schloss in Gödöllö ist die alte Kaiservilla das nostalgische Herz von Bad Ischl. Sie ist kleiner, aber intimer als Schloss Gödöllö. Und es lässt sich nicht verneinen, dass Bad Ischl das reizvollere Städtchen ist. Es gibt die Esplanade, die Lehárvilla, das Operettenfestival und die Berge und Seen vom Salzkammergut in nächster Nähe. Eine Besonderheit ist, dass mit Markus Habsburg noch ein richtiger Nachkomme von Franz Joseph und Elisabeth in der Kaiservilla wohnt. Am 18. August, dem Geburtstag von Franz Joseph, wenn die Kaisermesse und ein Empfang stattfinden, darf Markus sogar ein wenig Kaiser spielen. Trotzdem will Schiller das Ganze nicht überbewerten: „Es ist unsere Geschichte, man lernt es in der Schule und es gehört dazu, aber mehr ist es nicht. Abgesehen von dieser Kaiserwoche hat man wenig Berührung damit.“ Wie alle Bürgermeister seit 1949 kommt Schiller aus der SPÖ und eine Monarchistin ist sie „sicher nicht“. Trotzdem hat sie keine Probleme damit, solange man sich mit der Geschichte auseinandersetzt: „Wir leben vom Tourismus und nach wie vor gibt es viele Leute, die wegen der Kaiservilla anreisen.“