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Österreichs Staatsbudget auf dem Prüfstand mit einer Einschätzung der Budgetwerdung aus ethischer Perspektive.
Von Marlon Possard
Die Budgeterstellung im öffentlichen Haushaltswesen ist eine zentrale Aufgabe jeder Regierung. Von den Auftritten des politischen Parketts in Österreich in den vergangenen Monaten kann abgeleitet werden, wie schwierig Koalitionsverhandlungen vor dem Hintergrund des Budgets sein können – oder gar zum Scheitern solcher Gespräche führen. Jedenfalls ist die Budgetwerdung ein komplexes Zusammenspiel von unterschiedlichen Aspekten und findet in demokratisch organisierten Staaten normalerweise an der Schnittstelle von Gesetz, Politik und Gesellschaft statt. Politische Verhandlungen sind dabei ebenso wichtig wie die Beachtung gesamtgesellschaftlicher Interessen. De jure dient das Haushaltsrecht als eine Art formale Basis, wonach sich politische Akteure in ihrem Handeln ausrichten.
Auch wenn die Ethik – auf den ersten Blick – in solchen Bereichen nur eine untergeordnete Rolle spielen mag, so können ethische Prinzipien in diversen Prozessen ebenso von Bedeutung sein. Die Ethik beschäftigt sich mit den moralischen Grundsätzen, die unser aller Handeln leiten – von alltäglichen Entscheidungen bis hin zur fairen Verteilung von Ressourcen. Besonders bei der Budgetfindung stellt sie die Frage: Wie kann Geld gerecht, verantwortungsvoll und im Sinne aller Bürger eingesetzt werden? Welcher Stellenwert der Ethik dahingehend zukommt, liegt primär in den Händen der jeweiligen Bundesregierung (im aktuellen Regierungsprogramm der ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition kommen die Wörter „Ethik“ und „ethisch“ jeweils nur einmal vor1). Und schließlich kommt der neuen Bundesregierung auch realpolitisch die Aufgabe der Budgetgestaltung zu – und das in Zeiten einer notwendigen Budgetsanierung, die explizit auch von der Europäischen Union (EU) eingefordert wird.2
Dieser Beitrag analysiert die Budgetwerdung aus einer ethischen Perspektive, wobei sowohl die strukturellen Rahmenbedingungen als auch die politischen Verhandlungen im Fokus stehen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass gesetzliche Regelungen allein wenig zur Ethik der Akteure beitragen können. Vielmehr liegt die Verantwortung für ethisches Handeln bei den gegenwärtigen politischen Entscheidungsträgern, deren Agieren v. a. im Kontext einer schwierigen budgetären Ausgangslage mit unterschiedlichen Zielsetzungen spannend zu beobachten ist.
Öffentliches Haushaltsrecht: Grenzen ethischer Gestaltung. Wir leben in einem zunehmend komplexen politischen Gefüge, das von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen geprägt ist. Die Frage nach einer ethischen Ausrichtung innerhalb der öffentlichen Haushaltsführung wird daher immer öfter diskutiert. Wie weit dürfen ethische Prinzipien die Ausgestaltung des Haushaltsrechts beeinflussen und wo liegen die Grenzen ihrer praktischen Umsetzbarkeit?
Gesetzgebung und Stabilität. Das Haushaltsrecht umfasst all jene Bestimmungen, die sich mit der internen staatlichen Finanzordnung beschäftigen, d. h., es handelt vorrangig von der Verteilung finanzieller Ressourcen zur Aufgabenerfüllung.3
Die Quintessenz des Haushaltsrechts ist demgemäß ihr juristischer Rahmen, der vorrangig der Budgetplanung dient. Es definiert die Grundsätze der Einnahmen- und Ausgabenpolitik und legt Verfahrensregeln fest, um Transparenz und Verbindlichkeit zu gewährleisten. Mit Blick auf Österreich zeigt sich, dass insbesondere die Politik das Haushaltsrecht nur geringfügig regelt, was durchaus als problematisch skizziert werden kann. Zu den zentralen Prinzipien des Haushaltsrechts gehören immerhin die Budgetwahrheit, die Budgetklarheit und das Verbot der Zweckentfremdung von Mitteln. Darüber hinaus darf der Aspekt der Nachhaltigkeit i. R. d. Budgeterstellung gem. Art. 13 Abs. 2 B-VG nicht außer Acht gelassen werden. Das Haushaltsrecht erscheint zunächst also als neutral und primär technokratisch, weil es eben auch technisch wirkt. Seine Funktion ist es, die Verwaltungsausgaben zu regulieren und damit verbunden fiskalische Stabilität zu gewährleisten.
Letzterer Punkt wird durch verschiedene Instrumente sichergestellt, wie etwa durch den sog. „Stabilitätspakt“ (v. a. im Kontext der Einhaltung der EU-Fiskalregeln). Aber bei einer detaillierteren Betrachtung zeigt sich auch, dass die Bestimmungen jedenfalls Spielräume bieten, die von den Zuständigen bewusst (aus-)genutzt werden können.
So ermöglichen komplexe oder vage Formulierungen eine gewisse Flexibilität bei der Interpretation und erschweren somit gleichzeitig die Sicherstellung von Rechtssicherheit. Solche Interpretationsmöglichkeiten können dazu verwendet werden, politische oder gar persönliche Interessen zu begünstigen. Beispielhaft können hier asymmetrische Mittelverteilungen zugunsten bestimmter gesellschaftlicher oder politischer Gruppen angeführt werden (mit eventuellen Ausnahmen, wie bspw. im Förderwesen), aber auch Fragen von Überschreitungen des Budgets in der Praxis. Gerade bei solchen Nichteinhaltungen von geplanten Ausgaben ist zu beobachten, dass nicht selten eine solche Überschreitung zuallererst der Erreichung (meist kurzfristiger) politischer Ziele dient. Hier wird das Haushaltsrecht auf eine Weise angewendet, die zwar legal, aber dennoch fragwürdig ist (z. B. im Rahmen der krisenbedingten COVID-19-Ausgaben oder im Kontext von Wahlkämpfen).
Darüber hinaus warnt auch der österreichische Fiskalrat ausdrücklich vor weiteren Budgetdefiziten,4 selbst wenn ein Defizitverfahren5 seitens der EU gegen Österreich am Beginn des Jahres 2025 gerade noch rechtzeitig abgewendet werden konnte.6 Aufgrund der aktuellen politischen Lage auf Bundesebene, besteht jedoch nunmehr wiederum die Möglichkeit eines EU-Defizitverfahrens gegen Österreich.
In diesem Zusammenhang vermag die Ethik immerhin ein wenig Orientierung zu geben, denn die Gesetzgebung kann durchaus Rahmenbedingungen schaffen, um eine ethische Nutzung öffentlicher Mittel zu fördern. Dass etwa ethische Kompetenzen immer häufiger auch im juristischen Kontext diskutiert werden, zeigt beispielsweise die aktuelle Implementierung der EU-Verordnung über den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI-VO) auf. Hier wird u. a. die Einhaltung von ethischen Standards verlangt, insbesondere in den Erwägungsgründen zur KI-VO.7 Allerdings ist die Ethik nicht in der Lage, individuelles Verhalten und politische Entscheidungen direkt zu beeinflussen. Ethik im Haushaltswesen ist daher nicht allein durch Gesetze zu erreichen8, sondern setzt die Integrität der handelnden Akteure bereits voraus. Die Grenzen des Haushaltsrechts liegen somit in der Diskrepanz zwischen formaler Legalität und moralischer Legitimität.
Zwischen Verhandlungsprozessen und Kompromissbildung. Mit der Einsetzung einer neuen Bundesregierung im März 2025 steht Österreich vor einer kritischen Phase der Haushaltskonsolidierung. Diese Aufgabe ist nicht nur eine technische (wenngleich auch primär), sondern auch eine zutiefst ethische Herausforderung für die neue österreichische Bundesregierung (ÖVP-SPÖ-NEOS), da sie die Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen betrifft. Gerade die Frage, wie Gelder in einem Staat gerecht verteilt und investiert werden können, ist eine Angelegenheit, die im Wesentlichen der philosophischen Ethik, im engeren Sinne der öffentlichen Wirtschafts- und Finanzethik, zugeordnet werden kann.
Betrachtet man die vergangenen Monate der Verhandlungen hinsichtlich einer Regierungsbildung, so kann attestiert werden, dass diese einerseits von intensiven Koalitionsverhandlungen, andererseits aber auch von der Überbrückung ideologischer Differenzen bis hin zur Formulierung gemeinsamer Ziele und Vorgangsweisen geprägt waren, selbst wenn einige solcher Gespräche scheiterten und der Bundespräsident intervenieren musste. Koalitionsverhandlungen sind eben ein unvermeidlicher Bestandteil der Regierungsbildung in parlamentarischen Demokratien. Was häufig nicht bemerkt wird: Sie bieten einen wertvollen Einblick in die ethischen Prioritäten und in die Kompromissbereitschaft der beteiligten Parteien und ihrer Vertreter. Ethik zeigt sich hier in der Frage, wie weit politische Verantwortungsträger bereit sind, ihre allfälligen Grundsätze und wirtschaftlichen bzw. machtpolitischen Interessen zu kompromittieren, um politische Stabilität zu erreichen – und das gilt auch und gerade in Bezug auf das öffentliche Haushaltswesen. Es geht also um eine Art ethischen, pflichtbewussten und politischen Pragmatismus.
Ein zentrales Ziel der neuen Regierung muss es jedenfalls sein, die Sanierung des Budgets, das durch pandemiebedingte Mehrausgaben und die globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten stark belastet wurde, zu sanieren. Konkrete Sparmaßnahmen in Höhe von 6,4 Milliarden Euro für das laufende Jahr wurden beispielsweise seitens FPÖ und ÖVP, deren Regierungsverhandlungen bekanntlich im Februar 2025 scheiterten, bereits im Januar im Zuge ihrer Koalitionsverhandlungen vorgestellt (wie z. B. die Abschaffung der Bildungskarenz, die Erhöhung des Pensionsantrittsalters und die Streichung der Auszahlung des Klimabonus).9
Die nunmehr vom Bundespräsidenten nach Art. 72 B-VG angelobte Bundesregierung (ÖVP, SPÖ, NEOS) hebt in ihrem Regierungsprogramm hinsichtlich der Verbesserung der Budgetsituation verschiedene Maßnahmen hervor. Darin finden sich etwa Einsparungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung, sowie die Abschaffung des Klimabonus und der Bildungskarenz als auch die Redimensionierung von Förderungen.10 Letztendlich aber versuchen alle politischen Parteien – im Kontext des Budgets – ihre Schwerpunkte umzusetzen, denn keine konkreten Maßnahmen für die Praxis können ohne finanzielle Mittel auskommen.
Doch die Budgetsanierung darf nicht allein unter fiskalischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Sie wirft sowohl Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Generationengerechtigkeit als auch der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit auf. Daher braucht es zukünftig verstärkt auch den ethischen Fokus.
Dabei stellt sich die Frage, ob verbindliche Ethikregeln für politische und wirtschaftliche Entscheidungen formuliert werden sollten oder ob es vielmehr einer grundlegenden Sensibilisierung der Akteure für ethische Verantwortung und gesellschaftlichen Anstand bedarf – nämlich insbesondere hinsichtlich einer ethisch verantwortungsvollen Budgetpolitik, die zum einen fiskalische Stabilität gewährleistet und zum anderen soziale Aspekte nicht aus dem Blick verliert. Dies bedeutet daher, dass Einsparungen zwar notwendig sind, diese aber ebenso mit Bedacht vorgenommen werden müssen.
Ethisch fragwürdig wäre es etwa, wenn Leistungen im Bereich der sozialen Sicherung drastisch gekürzt werden würden. Die Antwort darauf wird für die Bewertung des (ethischen) Handelns der neuen Regierungspolitik von ÖVP-SPÖ-NEOS auf jeden Fall entscheidend sein.
Ethische Budgetgestaltung. Ein weiterer ethischer Aspekt, der die Budgetausgestaltung direkt betrifft, ist die Transparenz. Denn es gilt: Die Art und Weise, wie das Budget geführt und präsentiert wird, beeinflusst das Vertrauen der Bürger, d. h. der Gesetzesunterworfenen, in die Regierung und somit in die Legitimität getroffener budgetärer Entscheidungen. Gerade in unsicheren Zeiten, v. a. mit Blick auf die gegenwärtige Budgetlage, kann Transparenz bzw. Offenlegung als eine wesentliche vertrauensbildende Maßnahme begriffen werden.
Transparenz und Verantwortung. Offenlegung ist daher ein Schlüsselprinzip einer ethisch verantwortungsvollen Budgetpolitik und steht in enger Verbindung zu klarer Kommunikation. Nämlich durch sie wird es überhaupt erst möglich, dass Bürger den jeweiligen Budgetprozesses nachvollziehen können. In diesem Kontext wird die neue ÖVP-SPÖ-NEOS-Regierung wohl auch daran gemessen werden, welchen Stellenwert für sie Transparenz einnimmt. Und schlussendlich steht Transparenz in Beziehung zu Fragen der Verantwortung. Aber was bedeutet Verantwortung im Sinne einer ethischen Betrachtung?
Der Philosoph Julian Nida-Rümelin etwa versteht Verantwortung als eine Trias: Neben Verantwortung findet sich dort sowohl Autonomie, d. h. Freiheit, als auch Rationalität, also die menschliche Möglichkeit der Abwägung und Einschätzung im Rahmen des Treffens von Entscheidungen.11 Verantwortung kann weiters aber auch bedeuten, dass politische Akteure wirklich bereit sind, für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen einzustehen.
Dies beinhaltet auch die Bereitschaft, unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese langfristig zum Wohl der Gesellschaft beitragen.
Ein Beispiel ist die Frage von möglichen Reformen, denn solche können zwar (kurzfristig) auf Widerstand stoßen, langfristig möglicherweise jedoch zu finanzieller Stabilität beitragen. Wesentlich und in allen budgetären Belangen notwendig ist demgemäß v. a. ein verantwortungsvoller und sensibler Umgang mit öffentlichen Mitteln durch die politischen Akteure. Ein möglicher Ansatz wäre eine verstärkte Transparenz bei der Mittelverwendung, etwa durch unabhängige Kontrollinstanzen oder eine verpflichtende Bürger-Beteiligung bei Haushaltsentscheidungen.
Auch strengere Rechenschaftspflichten für politische Entscheidungsträger könnten sicherstellen, dass öffentliche Gelder nachhaltig, effizienter und im Sinne der Allgemeinheit eingesetzt werden.
Neben einer finanziellen Umsicht kann auch für eine konsequente Berücksichtigung ethischer Prinzipien im Rahmen von finanziellen Entscheidungen plädiert werden (= Balanceakt). Die Ethik kann quasi als Impulsgeberin eine wertvolle Unterstützung sein, da die politische Praxis der Budgeterstellung aufzeigt, dass abstrakte Prinzipien in weiterer Folge in konkrete Entscheidungen münden – mit dem Ziel, ein ausgewogenes und gerechtes Ergebnis zu erreichen, das auch wirklich den gesellschaftlichen Interessen entspricht.
Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Bildung. In Hinblick auf eine Budgetpolitik, die eine längerfristige Zielerreichung verfolgt, sind Themen wie Nachhaltigkeit und vorausschauende Bedürfnisorientierung zentral. Letzterer Gesichtspunkt verfolgt das primäre Ziel, das Budget so zu planen bzw. einzusetzen, dass auch zukünftigen Generationen dadurch ein wesentlicher Mehrwert zukommt (z.B. in den Bereichen Klimaschutz und Bildung). Man kann in diesem Sinne auch von einer ethisch verantwortungsvollen Budgetpolitik sprechen.
Nida-Rümelin fasst dies zusammen, wenn er schreibt: „Verantwortung wahrnehmen heißt unter anderem, die Folgen des eigenen Handelns für zukünftige Generationen zu berücksichtigen“.12
Betreffend Bildung gilt, dass inhaltlich wohl überlegte budgetäre Maßnahmen für diesen Sektor als besonders nachhaltig klassifiziert werden können, da sie für eine ökonomische und innovative (Weiter-) Entwicklung der Gesellschaft prioritär sind. Bildungsausgaben müssen bzw. sollten zwar, wie alle anderen staatlichen Ausgaben auch, mit Bedacht getroffen werden. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Frage nach dem Zugang zu Bildung maßgebliche Auswirkungen auf Elemente der sozialen Gerechtigkeit haben kann und daher in ihrem Kern wiederum tief mit ethischen Prinzipien verankert ist.
Ethische Theorien. Ethische Theorien gibt es innerhalb der Literatur viele. Die Analyse der Budgetverwendung erfordert eine differenzierte Abwägung zwischen den unterschiedlichen ethischen Ansätzen. Während etwa der Utilitarismus eine pragmatische Maximierung des Wohlergehens anstrebt, betonen andere Theorien verstärkt Prinzipien wie Gerechtigkeit, Verantwortung und moralische Integrität. Es kommt eben auf den Blickwinkel an. Eine ganzheitliche ethische Bewertung könnte daher auf einer Kombination dieser Ansätze beruhen, um v. a. moralische Verantwortung zu gewährleisten. Letztlich hängt die Wahl des ethischen Rahmens davon ab, welche Werte und Prioritäten innerhalb einer Gesellschaft als zentral erachtet werden.
Unter Bezugnahme auf die Budgeterstellung kann der Utilitarismus so interpretiert werden, dass dieser darauf abzielt, finanzielle Mittel so zu verteilen, dass der gesellschaftliche Nutzen dadurch maximiert wird. Dies könnte beispielsweise durch gezielte Investitionen (z. B. im Gesundheitssektor) geschehen. Der utilitaristische Ansatz hat jedoch auch Schwächen: Er kann dazu führen, dass die Bedürfnisse von Minderheiten vernachlässigt werden, wenn deren Wohlergehen das Gesamtniveau des Glücks nicht signifikant beeinflusst.
Im Gegensatz zum Utilitarismus konzentriert sich die deontologische Ethik nicht auf die Konsequenzen, sondern auf die moralischen Prinzipien und Pflichten. Im Kontext der Budgetverwendung legt die deontologische Ethik Wert darauf, dass Entscheidungen fair getroffen werden, unabhängig davon, ob sie den größtmöglichen Nutzen bringen. Ein weiterer relevanter Ansatz ist die Tugendethik, die den Charakter und die Tugenden der Entscheidungsträger in den Mittelpunkt stellt.
Hierbei wird gefragt, ob die Akteure bei der Budgetverwendung bestimmte Eigenschaften, wie z. B. Gerechtigkeit, zeigen. Diese ethische Perspektive betont jedenfalls die moralische Integrität derjenigen, die für die Verteilung der Ressourcen verantwortlich sind. Letztlich hängt aber die Wahl des ethischen Rahmens davon ab, welche Werte und Prioritäten innerhalb einer Gesellschaft als zentral erachtet werden.13
Ein Beispiel für einen praktischen Problemfall mit einem deontologischen Ethik-Bezug stellt etwa die Budgeterstellung einer Gemeinde für die Aufrechterhaltung eines Schulbetriebs dar. Die Entscheidungsträger könnten sich nun fragen: Sollten wir den Großteil der verfügbaren Finanzmittel, basierend auf dem größtmöglichen Nutzen, für eine spezifische Schuleinrichtung verwenden, selbst wenn andere Schulen dadurch benachteiligt werden? Ein deontologischer Ansatz würde hier explizit betonen, dass die Verantwortung, jeden Schüler fair und gleich zu behandeln, nicht durch pragmatische Überlegungen aufgeweicht werden sollte, weshalb ein gerechter finanzieller Mitteleinsatz in diesem konkreten Fall notwendig erscheint. Selbst wenn bestimmte Schulen mehr Ressourcen erhalten könnten, bleibt es die moralische Pflicht, eine gerechte finanzielle Aufteilung für alle Schultypen und ihre Schüler und Lehrer zu gewährleisten.
Fazit und Ausblick. Summa summarum kann hervorgehoben werden, dass die Budgetwerdung ein komplexer Prozess ist, der sich zwischen moralischen Ansprüchen und pragmatischen Notwendigkeiten abspielt. Er wird künftig nicht nur vermehrt mit ethischen Aspekten konfrontiert sein, sondern gefordert sein, Ethik tatsächlich auch aktiv zu integrieren. Das Haushaltsrecht selbst kann nur die Formalia schaffen, die Verantwortung für ethisches Agieren wird immer bei den politischen Akteuren selbst liegen. Daher ist es notwendig, Ethik-Regeln auch im öffentlichen Haushaltswesen zu implementieren.
Die neue österreichische Bundesregierung steht jedenfalls vor der Herausforderung, die fiskalische Konsolidierung sowohl mit Nachhaltigkeit und Transparenz als auch mit Fragen der gerechten Planung zu konnektieren. Dabei braucht es nicht nur finanzpolitisches Wissen, sondern auch den Mut, wirkungsvolle und ethisch kompatible Entscheidungen zu treffen. Ein gutes Beispiel für mutige, ethisch fundierte Entscheidungen im Bereich der Finanzpolitik – mit einem besonderen Blick auf das EU-Mitgliedsland Schweden – ist z. B. die verstärkte Unterstützung einer klimagerechten Transformation.
Im Gegensatz zu diesem positiven Exempel gibt es wiederum finanzpolitische Negativbeispiele, die in ihrem Kern eher auf eine kurzfristige Haushaltskonsolidierung ausgerichtet sind. Ein solcher Weg führt meist zur Verstärkung von sozialen Ungerechtigkeiten, wie etwa das Beispiel Griechenland aufzeigt (Schuldenkrise in den 2010er Jahren). Die griechischen Verantwortungsträger verfolgten damals eine strikte Austeritätspolitik. Diese Politik wurde von vielen als ethisch problematisch eingestuft.
Letztendlich werden die kommenden Monate und Jahre jedenfalls zeigen, inwieweit es den politischen Verantwortlichen gelingt, Ethik und Finanzpolitik zu vereinen. Die österreichische Bundesregierung hat in den letzten Jahren mehrere Reformen und Einsparungen in verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherheit und öffentlichen Dienstleistungen vorgenommen. Zwar wurden Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und zur Stabilisierung der Staatsfinanzen getroffen, jedoch gab es vielfach wenig Berücksichtigung der sozialen Gerechtigkeit und der langfristigen sozialen Auswirkungen. Auch zeigten die Regierungsverhandlungen und die Priorisierungen der einzelnen politischen Parteien der letzten Monate vor allem eines auf: Die ethische Dimension von Finanzpolitik gerät zunehmend in den Hintergrund und häufig handelt es sich um bloße pragmatische Überlegungen. Selbst wenn Ethik weder einen Anspruch auf Vollständigkeit besitzt noch durch sie endgültige Lösungen herbeigeführt werden können, so erscheint ihre Integration in politische Prozesse der Budgetwerdung dennoch als sinnvoll.
Gleichzeitig ist es wichtig zu beachten, dass zwischen der Ethik, die in Gesetze und politische Strategien gegossen wird und der tatsächlichen Umsetzung im politischen Alltag ein großer Unterschied besteht. Auch wenn in Österreich ethische Aspekte in Gesetzestexte gegossen werden, wie etwa im Kontext des Umweltschutzes oder einer nachhaltigen Finanzierung, so geht mit einer solchen Implementierung noch lange nicht einher, dass diese Prinzipien auch tatsächlich in der Politik oder in konkreten Haushaltsentscheidungen umgesetzt werden. Konkret bedeutet dies: Auch wenn Ethik auf dem Papier existiert, kann in der politischen Praxis beobachtet werden, dass es schwer ist, ethische Grundsätze mit finanziellen Realitäten oder den politischen Interessen in Einklang zu bringen. Nicht selten mangelt es dahingehend an dem politischen Willen, eine Ethik-Institutionalisierung aktiv voranzutreiben.
Rentabel wäre eine Ethik-Integrierung aber allemal, denn dadurch wird nicht nur das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen gestärkt, sondern letztendlich auch die politische Handlungsfähigkeit – eine Win-
Win-Situation für alle Beteiligten sozusagen.
1 Siehe hierzu: ÖVP/SPÖ/NEOS (2025): Regierungsprogramm 2025-2029: Jetzt das Richtige tun. Für Österreich. Online erschienen am 27.02.2025: https://kontrast.at/wp-content/uploads/2025/02/Regierungsprogramm.pdf [zuletzt abgefragt am: 27.02.2025].
2 Vgl. Tageszeitung „Der Standard“; Beitrag von András Szigetvari und Andreas Danzer (2024): Österreich muss dringend das Budget sanieren – Fünf Wege, wie das gelingen könnte. Online erschienen am 04.10.2024: https://www.derstandard.at/story/3000000239503/oesterreich-muss-dringend-das-budget-sanieren-fuenf-wege-wie-das-gelingen-koennte [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
3 Vgl. Schenk, W. (2006): Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung. Tübingen: Mohr Siebeck Verlag, S. 3.
4 Vgl. Österreichischer Fiskalrat (2024): Aktuelle Budgetprognose für Österreich und Empfehlungen des Fiskalrates – Nächste Bundesregierung muss mit Sparpaket starten. Online erschienen am 19.06.2024: https://www.fiskalrat.at/dam/jcr:9e720346-e4af-468a-8fcb-ab007169c4d9/FISK-PK-Pressetext-Juni%202024.pdf [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
5 Zwischen den Jahren 2009 und 2014 war Österreich bereits von einem Defizitverfahren betroffen. Im Jahr 2019 konnte hingegen ein Überschuss verzeichnet werden. Siehe hierzu: Vgl. Österreichisches Parlament (2025): Budget, Konsolidierung & EU-Defizitverfahren schnell erklärt. Online erschienen am 17.01.2025: https://www.parlament.gv.at/aktuelles/news/Budget-Konsolidierung-EU-Defizitverfahren-schnell-erklaert [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
6 Vgl. Bundesministerium für Finanzen (2025): Finanzminister Mayr – Österreich wendet Defizitverfahren ab und bewahrt Budgetsouveränität. Online erschienen am 17.01.2025: https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2025/jaenner/oesterreich-wendet-defizitverfahren-ab.html [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
7 Vgl. Kommission der Europäischen Union (2024): Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.06.2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz und zur Änderung div. Verordnungen. Online erschienen am 12.07.2024: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32024R1689 [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
8 Vgl. Lust, P. (2023): „Grundsätzliches zu 10 Jahren neuem Haushaltsrecht samt Blick auf das Budget 2024.“ In: Zeitschrift für das öffentliche Haushaltswesen in Österreich (2/2023). Wien: Gesellschaft für das Öffentliche Haushaltswesen, S. 226 f.
9 Vgl. Finanznachrichten für Österreich; Beitrag von Daniel Herndler (2025): Sparpaket fix! – Klimabonus, Steuern, AMS & Co.: Alle Maßnahmen im Detail. Online erschienen am 16.01.2025: https://www.finanz.at/news/sparpaket-fix-2025-detail-10840/ [zuletzt abgefragt am: 12.02.2025].
10 Vgl. ÖVP/SPÖ/NEOS (2025): Regierungsprogramm 2025-2029: Jetzt das Richtige tun. Für Österreich. Online erschienen am 27.02.2025: https://kontrast.at/wp-content/uploads/2025/02/Regierungsprogramm.pdf [zuletzt abgefragt am: 27.02.2025].
11 Vgl. Nida-Rümelin, J. (2007): „Politische Verantwortung.“ In: Heidbrink, L.; Hirsch, A. (Hrsg.) (2007): Staat ohne Verantwortung? Zum Wandel der Aufgaben von Staat und Politik. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 57.
12 Nida-Rümelin, J. (2007): „Politische Verantwortung.“ In: Heidbrink, L.; Hirsch, A. (Hrsg.) (2007): Staat ohne Verantwortung? Zum Wandel der Aufgaben von Staat und Politik. Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 57.
13 Vgl. Possard, M. (2025): Verwaltungsethik im Fokus: Ethische Grundlagen und Orientierungshilfen – ein kompaktes Nachschlagewerk für die österreichische Verwaltung. Wien: Facultas Verlag, S. 33 ff.
Infos zum Autor
Mag. Dr. Marlon Possard, MSc, MA,geb. 1995, ist Assistant Professor für die Bereiche Recht, Verwaltung und Ethik und Habilitand. Er lehrt und forscht an der FH Campus Wien und an der SFU Wien und Berlin u. a. zu Fragen der Ethik der Künstlichen Intelligenz. Possard ist Autor zahlreicher Publikationen und Beiträge (120+) und als Experte Mitglied in diversen wissenschaftlichen Kommissionen und Vereinigungen. Er forscht außerdem als Gastwissenschaftler (PostDoc) an der Harvard University (USA).