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Aktuell ist künstliche Intelligenz (KI) als „the next big thing“ in aller Munde – auch in der öffentlichen Verwaltung. Die Vision KI als unterstützende bzw. automatisierende Ressource zu nutzen ist selbstverständlich auch richtig – die Potenziale sind groß. Von Dalilah Pichler und Wolfgang Oberascher, KDZ
Doch – und dies ist nicht nur in Rathäusern, sondern auch in vielen privaten Betrieben erkennbar – aktuelle Tendenzen muten häufig an, als würde man ein „Wohnzimmer einrichten, bevor überhaupt der Rohbau errichtet ist“.
Was damit gemeint ist! Vorstehendes lässt sich natürlich nicht als pauschales Dogma der österreichischen Verwaltungslandschaft ausrufen. Allerdings trifft man mehr und mehr auf überaus potente (und oft auch sehr teure) Softwarelösungen, Programme und IT-Tools, welche in ihren technischen Möglichkeiten im Arbeitsalltag nur bruchstückhaft von den Mitarbeitenden genutzt werden (können).
Woran liegt das? IT-Lösungen versprechen gerne schnelle, einfache Lösungen. Was leider viel zu häufig vergessen wird, ist, dass diese erst in eine Organisation eingebettet werden müssen. Gleichzeitig muss sich eine Organisation auch der Diktion von IT-Abläufen – zumindest in Teilen – anpassen. Dies erfordert einen Veränderungsprozess und ein solcher muss wohlüberlegt sein.
Leider ist die Einführung von digitalen Lösungen viel zu häufig ein Schnellschuss. Teure Softwarelösungen werden angeschafft, bei Schulungskosten wird gespart. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Beschäftigte Funktionalitäten verstehen und lernen müssen, bevor sie in der alltäglichen Praxis angewandt werden. Keiner von uns könnte mit einem Fahrzeug rückwärtsfahren, wüssten wir nicht, dass es einen Rückwärtsgang gibt. Was banal klingen mag, ist in der IT-Realität leider viel zu oft ein wesentliches Problem bei der Nutzung von digitalen Anwendungen.
D.h. wir müssen Mitarbeitende schulen, Abläufe erklären, Veränderungen benennen und gemeinsam Lösungen finden. Aufgezwungene oder verordnete Software-Abläufe ohne Berücksichtigung von betrieblichen Realitäten können auch zu Widerständen führen – v. a. wenn das Nutzungsversprechen nicht eingehalten werden kann. Umso bedeutsamer sind umfassende Schulungen, wenn man berücksichtigt, dass die Altersdemographie in öffentlichen Verwaltungen tendenziell hoch ist, denn Babyboomer sind nicht immer „Digital Natives“.
Ohne Regeln geht es nicht! Und zuletzt wird auch gerne vergessen – ein Regelkorsett zu schnüren, welches die Rahmenbedingungen der digitalen Arbeit definiert, ausspricht und einfordert. Im analogen Arbeiten gab und gibt es genau solche Vorschriften, die einheitliche Aktenpläne, Skartierungsfristen, Delegationsverordnungen, Vertretungsregelungen und vieles mehr normieren. All dies gilt es auch in die digitale Zusammenarbeit zu übersetzen – man spricht hier von Governance-Regelungen. Diese bieten Orientierung und Nachvollziehbarkeit, anstatt laufend Ermessensentscheidungen von Mitarbeitenden zu fordern (und dann zu kritisieren). Diese vorbereitende, strukturierende Transformationsarbeit ist (mitunter sehr mühsame) Führungsarbeit!
Was ist also zu tun? Bevor die künstliche Intelligenz „alles“ revolutionieren wird, müssen Organisationen lernen, die Potenziale des digitalen Arbeitens konsequent auszunutzen. Hier liegen massive, ungenutzte Möglichkeiten in Sachen Effizienz und auch Kostenreduktion. Gerade in Zeiten von immer geringer werdenden finanziellen Mitteln ist dies von besonderer Relevanz.
Punkt 1:
Wir müssen verstehen, dass Digitalisierung mit wesentlichen Veränderungen von organisatorischen Strukturen und Abläufen einhergeht. Diese Veränderung muss strukturiert erfolgen und aktiv gesteuert werden.
Punkt 2:
Mitarbeitende (und natürlich auf Führungskräfte) müssen im Umgang mit den neuen Werkzeugen geschult werden. Sie müssen verstehen, was alles möglich ist und wie die Programme funktionieren. Und sie müssen auch in die Umsetzung eingebunden werden. Wenn Menschen an Projekten selbst arbeiten und Verantwortung übernehmen, wird es zu gewissen Ausmaßen auch „ihr Baby“, welches sie selbst mit-entwickelt haben.
Punkt 3:
KI ermöglicht vieles in Sachen Prozess-automatisierung, Unterstützung im Wissensmanagement und vieles mehr. Es wird jedoch auch zukünftig nicht ohne den Menschen gehen.
Und es gibt sie doch! Jene Städte und Gemeinden, die den digitalen Transformationsprozess als Veränderungsprozess verstehen. In der geografischen Mitte Österreich liegt eine innovative Gemeinde, welche genau diesen strukturierten Weg gewählt hat und zunehmend ihre Arbeitsweisen digital abwickelt.
Begonnen wurde mit einem (Governance-)Handbuch „digitales Arbeiten“, welches klare Regeln benennt (wie z. B. Beschlagwortungsregeln, Regeln für die Aktenanlage, Skartierungsregelungen) und das für bestimmte, fachbereichsübergreifende Prozesse sogar eindeutige Ablaufdarstellungen festlegt. Dies wurde in Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen Anforderungen der Gemeindeordnung sowie mit der Haushaltsdurchführungs-Verordnung wie auch den Ansprüchen des Datenschutzes und Elementen des Risikomanagements (wie bspw. dem Prinzip der Mindestinformation) gebracht.
Neue Abläufe wurden durch die betroffenen Mitarbeiter mitgestaltet – diese wurden entlang der digitalen Möglichkeiten skizziert und anschließend die organisatorischen Implikationen abgeleitet. Die Optionen wiesen eine deutliche Bandbreite auf, von der Verschiebung von Personalressourcen, über neue technische Ausstattung bis hin zu komplett neuen Prozessen, wie Eingangsrechnungen bearbeitet werden. Plötzlich waren auch die Möglichkeiten für eine Homeoffice-Lösung geschaffen.
Nach Implementierung in der Gemeindeverwaltung (Rathausverwaltung) wurden auch die Außenstellen wie die Kindergärten und der Wirtschaftshof in die elektronischen Prozesse eingebunden. Heute arbeitet die Gemeinde zu 98 Prozent in digitaler Form.
Das KDZ fungierte dabei als „Dolmetscher“ zwischen den Anforderungen der Mitarbeitenden und den technischen Möglichkeiten von Softwarelösungen und half, die wesentlichen Aspekte in organisatorische Regelungen zu transformieren, die klar, verständlich und praxistauglich waren.
Wenn Sie planen, ein solides Fundament zu schaffen, um die nächsten Schritte in Richtung Digitalisierung und KI zu gehen, stehen wir Ihnen gerne unterstützend zur Seite.
Kontakt
Dalilah Pichler, MSc
pichler@kdz.or.at
Mag. Wolfgang Oberascher
oberascher@kdz.or.at