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 Foto: Centraldanube

Zwillingsstädte Wien und Pressburg

Von Wien sind es gerade 55 km bis Pressburg – keine zwei Hauptstädte in Europa liegen so nah aneinander. Seit jeher ist das Schicksal der beiden eng miteinander verbunden. Als in Wien die Habsburger regierten, war Pressburg zwei Jahrhunderte lang die Hauptstadt von Ungarn. Obwohl die deutsche Sprache dominierte, war sie eine richtig multikulturelle Stadt. Auf Ungarisch hieß sie Pozsony und auf Slowakisch Prešporok. Im 20. Jahrhundert wurde sie immer weiter slowakisiert und bekam den Namen Bratislava, der heute auch im deutschen Sprachraum am gebräuchlichsten ist. Am meisten litt die Partnerschaft aber unter dem Eisernen Vorhang, der nach dem Zweiten Weltkrieg Europa zerteilte. Von Michael de Werd

Mit der samtenen Revolution von 1989 wurde die Freundschaft jedoch neu belebt. „Gleich nach dem Ende des Kommunismus hat Wien in verschiedenen Ländern des ehemaligen Ostblocks Büros gegründet“, erzählt Alena Sirka-Bred, die Gruppenleiterin für internationale Kontakte der Gemeinde Wien. „Dadurch wurde von der Stunde eins ein intensiver Kontakt zwischen den Stadtverwaltungen aufgebaut. In Bratislava haben wir kein Büro mehr, weil wir uns auf Pendeldistanz voneinander befinden.“ Inzwischen würde die Zusammenarbeit so intensiv und alltäglich sein wie zwischen zwei österreichische Nachbargemeinden.  

Wenn es ein Symbol für neue Verbundenheit gibt, dann ist das der Twin City Liner. Mit dem Katamaran ist man in 75 Minuten vom Zentrum Wiens im Herzen von Pressburg. „Früher gab es eine Straßenbahnverbindung, und deswegen ist die Idee aufgekommen, die enge Verbindung auf eine neue Ebene zu heben“, erzählt Geschäftsführer Gerd Krämer. „Und was liegt mehr auf der Hand, als den kürzesten Weg zu suchen, und das ist nun mal die Donau.“ Obwohl es die Überlegung gegeben hat, dass auch Pendler das Boot nehmen könnten, hat sich das nicht durchgesetzt. „Es ist ein Tourismusprodukt und in diese Richtung wollen wir es auch weiterentwickeln“, erzählt Krämer. Und ein Erfolgsprojekt, denn in diesem Monat wird der zweimillionste Passagier seit 2006 erwartet.

Natur statt Siedlungsbrei. Aber auch bei den klassischen Verkehrsmitteln tut sich einiges. 2025 soll auch die nördliche Eisenbahnstrecke voll elektrifiziert und zweigleisig sein. „Die schnellsten Züge werden nur mehr 40 Minuten brauchen“, erzählt Paul Grohmann, der Dezernatsleiter für EU-Strategie. „Das wird die Städte noch mehr zusammenführen, wobei es nicht das Ziel ist, dass beide zu einem großen Siedlungsbrei zusammenwachsen. Die landwirtschaftlichen Flächen und die Donauauen sind sehr wertvoll und sollen erhalten bleiben.“ Seit 2007 arbeiten Wien und Pressburg eng zusammen im Projekt Urbannatur, das den natürlichen Raum in Stadtnähe schützen soll.
 „Was bei uns die Donauauen sind, sind in Bratislava die Kleinen Karpaten“, erzählt Susanne Leputsch, die Koordinatorin des Nationalparks Donauauen. „Es sind Schutzgebiete, die als Erholungsgebiete sehr stark genützt werden, und es ist sehr schwer, diese Funktionen zu vereinbaren.“ Ein Musterprojekt ist die Esslinger Furt, ein landwirtschaftliches Gebiet am Rande des Nationalparks, das den Besucherandrang etwas abfedern soll. Es gibt einen Themenweg, Spielplätze und einen großen Hundeplatz. Die Bäume wurden gemeinsam von österreichischen und slowakischen Kindern gepflanzt.

Sozialwohnbau nach Wiener Beispiel. Oft lernen die Städte voneinander. „Wien hat eine lange Tradition von gefördertem Wohnbau und ist darum das große Vorbild für Bratislava“, erzählt Marek Dinka, der Leiter der Planungsabteilung von Pressburg.  „Nach der Wende sind wir von einem Extrem ins andere gefallen. Zuerst haben alle in staatlichen Wohnungen gelebt und dann nur noch in Eigentumswohnungen. Wenn man aber alles dem Markt überlässt, schaffen es bestimmte Gruppen nicht mehr zu einer Wohnung zu kommen.“ Inzwischen betreibt auch Pressburg eine aktive Wohnbaupolitik.
Trotzdem zieht es noch immer viele in das österreichische Umland. Die Häuserpreise sind niedriger und die Eltern möchten, dass ihre Kinder österreichische Schulen besuchen, um leichter Zugang zum deutschsprachigen Arbeitsmarkt zu bekommen. Laut Dinka ist das Interesse leider ein wenig einseitig. „Hier wissen die Leute ganz genau, wie weit entfernt Wien liegt und wie viel Zeit man dorthin braucht, aber nicht umgekehrt. Im Durchschnitt schätzen die Wiener die Distanz nach Bratislava auf 120 km.“ In Wirklichkeit ist es nicht mal die Hälfte.

Unterstützung für die LGBT-Gemeinschaft. Eine Gruppe, die die Nähe zu Wien zu schätzen weiß, ist die LGBT-Community. „Vor allem schwule Männer möchten einen Abend lang das Nachtleben genießen und sie selbst sein können, während sie sich zu Hause verstecken,“ erzählt Roman Samotný, der Obmann des Vereins Queer Slovakia und der Besitzer der Homobar Teplaren. Im Vorjahr kam die Bar auf traurige Art in die Nachrichten, als ein Rechtsextremist zwei Besucher erschoss. Obwohl es ein Schock war, passt es laut Samotný zur neuen Homophobie in der slowakischen Politik: „Hassreden gegen die LGBT-Menschen gehören inzwischen zum parlamentarischen Alltag“. Er ist aber voll des Lobes über die Unterstützung durch die Gemeinde Bratislava und Bürgermeister Matúš Vallo.

Am 7. März gibt es sogar königliche Unterstützung aus dem Ausland. Bei ihrem ersten Staatsbesuch an die Slowakei besuchten König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande das Teplaren und sprachen mit den Angehörigen der Opfer. Für die holländische Königsfamilie ist Österreich so etwas wie eine zweite Heimat. Im Gespräch mit public zeigt sich Willem-Alexander auch begeistert über die Partnerschaft zwischen Wien und Pressburg: „Ich finde es sehr schön, wie die beiden den durchgeschnittenen Nabelstrang wieder zusammengefügt haben und auf eine gute Art weitergewachsen sind.“ „Es ist interessant, dass Wien früher die letzte Station vor dem Eisernen Vorhang war, und es jetzt zwei Städte sind, die mitten in Europa liegen“, fügt Máxima hinzu.