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Zündstoff für Verhandlungen

Mit dem Vorstoß Finanzminister Magnus Brunners, die Grunderwerbsteuer für Ersterwerber zu erlassen, spielte er ohne Vorwarnung mit einer kleinen Bombe. Explodiert sie, hat sie die Kraft, die kommunalen Budgets zu erschüttern und die laufenden Finanzausgleichs-Verhandlungen zu erschweren. Der Effekt für das teure Wohnland Österreich wäre fraglich. Der politische ist es letztlich auch.
Von Alexandra Keller

Es war wie eine kleine Polit-Show im Westen. Wild ist der mit seinen exorbitanten Grundstücks- und Wohnpreisen auf jeden Fall und im schrillen Zusammenspiel mit den zuletzt nicht minder exorbitant gestiegenen Kosten für alles Lebensnotwendige bot der allerwestlichste Westen Österreichs eine Bühne für starke Sager. Am 24. Dezember 2022 wurde Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner in einigen Medien mit Aussagen eines Interviews zitiert, das er der APA gegeben und das recht starken Tobak enthalten hatte. Wallner schlug darin vor, bei der Schaffung des ersten Eigentums auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten.

Wenig später fand sein Ruf ein kapitales Echo im Osten, verstärkte doch Finanzminister Magnus Brunner Wallners Vorschlag mit veritablem Regierungs-Bass. Er könne sich vorstellen, die Grunderwerbsteuer auf das erste Eigentum bis zu einer bestimmten Größenordnung – „zum Beispiel 500.000 Euro“ – zu erlassen, sagte Brunner gegenüber dem ORF Vorarlberg, dem er zudem anvertraute, dass auch über andere Gebühren, wie zum Beispiel die Grundbucheintragungsgebühr, nachgedacht werden könne, und der Vorschlag mit dem Koalitionspartner „in aller Ruhe und Sachlichkeit“ diskutiert werde.

Eine Finanzierungslücke bahnt sich an. Dass von derartigen Diskussionen im schwarz-grünen Regierungskreis nichts bekannt wurde, liegt wohl daran, dass sie noch nicht stattgefunden haben. Andernorts wurde das Thema jedoch sehr wohl aufgegriffen, fühlten sich die Kommunen, denen 94 Prozent dieser gemeinschaftlichen Bundesabgabe zustehen, dadurch doch angegriffen. Zurecht, ist die Grunderwerbsteuer doch neben der Grund- und Kommunalsteuer eine der letzten „direkten“ Einnahmequellen der Kommunen und vor allem in den klammen bis prekären Corona-Jahren war die Grunderwerbsteuer eine essenzielle Säule für die Finanzierung der Daseinsvorsorge.
„Durch den Immobilienboom, der 2022 seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat, hat sich die Grunderwerbsteuer in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelt und betrugt 2021 rund 1,66 Milliarden Euro. Diese Dynamik hat den Gemeinden besonders in den Krisenjahren dabei geholfen, ihre mannigfachen Aufgaben zu stemmen“, stellt Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, gegenüber public fest – und er stellt auch klar: „Sollte die Forderung nach einer Steuerbefreiung des Ersterwerbs von inländischen Grundstücken – darunter fallen neben Grund und Boden auch Gebäude oder auch Baurechte – umgesetzt werden, wäre der nächste Schritt wohl eine vollständige Abschaffung und dann entstünde eine Finanzierungslücke der Gemeinden von rund 1,6 Milliarden Euro bzw. ein Wegbrechen von 14 Prozent der Gemeindeertragsanteile.“

Belastung für die Verhandlungen. Die satte Summe erklärt das kollektive Luftanhalten recht anschaulich, das Brunners Vorstoß bei den Gemeindevertretern triggerte. In Vorarlberg, quasi dem Ursprungsland der Idee, versucht sich die Präsidentin des Gemeindeverbandes, Andrea Kaufmann, ein wenig Luft zu verschaffen, wenn sie sagt: „Eine Abschaffung – auch nur von Teilen – der Grunderwerbsteuer würde die finanzielle Situation der Gemeinden schwächen. Die Diskussion über die Grunderwerbsteuer mit einem österreichweiten Gesamtvolumen von über 1,5 Milliarden Euro wird daher sicher im Rahmen der Verhandlungen zum Finanzausgleich weitergeführt werden müssen. Dabei muss es aus meiner Sicht eher um eine Stärkung der Finanzkraft und der budgetären Spielräume für die Städte und Gemeinden gehen.“

Für die Finanzausgleichs-Verhandlungen, die Kaufmann anspricht, und die Ende 2022 laut Alfred Riedl „harmonisch“ gestartet sind, steckt in der Abschaffungsidee die Aussicht auf ein zusätzliches Tauziehen, eine zusätzliche Front zwischen den Gebietskörperschafts-Vertretern. Die Gemeinden rüsten sich jedenfalls dafür, obwohl die Abschaffung der Grunderwerbsteuer diffus in der Luft hängt.

„Die Auswirkungen einer Abschaffung der Grunderwerbsteuer auf die Finanzen der Stadt Steyr lassen sich derzeit noch nicht abschätzen, weil noch gar nicht klar ist, wie das neue Modell überhaupt aussehen soll, und in welcher Form bzw. Höhe ein allfälliger Einnahmenentfall seitens des Bundes kompensiert wird“, sagt dazu beispielsweise der Bürgermeister der Stadt Steyr, Markus Vogl, und Alfred Riedl meint: „Das war jetzt ein erster Vorstoß, mehr gibt es hier noch nicht. Klar ist für uns, dass es wesentlich zielführendere und sozial treffsichere Wege gibt, wie man die Jungen bei der Schaffung von Wohneigentum unterstützen kann.“
 
Eher Reiche würden hier profitieren. Die Schaffung von Wohneigentum ist für zahlreiche Österreichern mit den Preisexplosionen eh schon längst in weite Ferne oder gar gänzlich ins Nimmerland gerückt. Aktuell kostet – laut statistica.com – ein Quadratmeter in Wien/Innere Stadt rund 18.300 Euro, in Wien/Josefstadt 8.844 Euro, in Wien/Favoriten 6.157 Euro und in Wien/Ottakring 4.896 Euro. Für eine 80-Quadratmeter-Wohnung müssen demnach zwischen fast 400.000 und eineinhalb Millionen Euro bezahlt werden. Kein Klacks. Nirgendwo. „Die hohen Immobilienpreise erlauben es nur reichen Menschen, Eigentum zu erwerben“, hieß es dazu Anfang Januar 2023 in einem Bericht des Momentum Instituts, wo folgendermaßen gerechnet wurde: „Bei einem Immobilienpreis von 375.000 Euro, wie zurzeit in Wien für eine 80 Quadratmeter-Wohnung üblich, müsste eine Person mit einem Medianeinkommen von rund 31.407 Euro pro Jahr rund 68 Jahre sparen […] Dementsprechend besitzen ärmere Leute viel seltener eine Eigentumswohnung. […] Von einer Abschaffung der Grunderwerbsteuer würden somit reichere Haushalte deutlich öfter profitieren. Denn einerseits besitzen sie deutlich öfter Immobilien, die sie bei Abschaffung oder Senkung der Grunderwerbsteuer günstiger vererben oder verschenken könnten. Andererseits haben sie das nötige Geld, um sich neue Immobilien zu kaufen. Ärmeren Haushalten fehlt dieses Geld dagegen – auch nach Abschaffung der Grunderwerbsteuer.“

Wer gar nicht erst an den Erwerb von Immobilien denken darf, dem sind wohl auch die Nebenkosten eines Immobilienkaufs egal. Zwischen sieben und 10 Prozent sollten dafür zusätzlich eingerechnet werden, dann, wenn die Maklergebühr mit drei Prozent, die Anwalts- und Notargebühren mit ein bis drei Prozent, die Grundbucheintragungsgebühr mit 1,1 Prozent und die Grunderwerbsteuer mit 3,5 Prozent hinzukommen. Dass die Grundbucheintragungsgebühr überhaupt mit dem Kaufpreis gekoppelt, der Aufwand des Staates aber stets der gleiche ist, ist etwa der Wirtschaftskammer ein Dorn im Auge, die diesbezüglich eine fixe Gebühr im zwei- bis dreistelligen Euro-Bereich für angemessen hält.
Dass es ausgerechnet die für die Gemeinden relevante Grunderwerbsteuer ist, die möglicherweise abgeschafft werden soll, dürfen die Betroffenen also getrost als Angriff betrachten, weil der großmundigen Ankündigung kein Vorschlag für eine Kompensation folgte – geschweige denn der Plan, die Wohn- und Grund-Fragen sinnvoll „anzugehen“ beziehungsweise einem effektiven Reformprozess zu unterziehen.

Leistbares Wohnen ist und bleibt dabei ein Stichwort, ein auch abseits der Eigentumserwerbsunmöglichkeiten zunehmend schmerzhaftes. Die aktuellen inflationsbedingten Mieterhöhungen knabbern zunehmend an den Nerven und Geldbörsen der Mieter, weswegen in dem Zusammenhang etwa Portugal oder Spanien als Vorbilder dienen, dürfen die Mieten in diesen Ländern doch jährlich nur um zwei Prozent erhöht werden. Leerstände durch auch für Anleger oder Spekulanten schmerzhafte Abgaben wiederzubeleben, ist ein anhaltend heiß diskutiertes Thema, wie auch das zielgerichtete Eindämmen der brutalen österreichischen Flächenversiegelung in der Größenordnung von acht Fußballfeldern täglich.

Die wirklich relevanten Verteilungs-, Gegenwarts- und Zukunftsfragen rund um die Dächer über den Köpfen der Österreicher warten beharrlich auf Antworten.

Eine Grundsteuerreform ist längst fällig. Ob die Abschaffung der Grunderwerbsteuer eine positive Dynamik auslösen könnte, wird jedenfalls bezweifelt. Doch scheint diese Steuer sich besser für schnelle Schlagzeilen zu eignen als eine Reform der Grundsteuer, in deren Zusammenhang das Wort Schnelligkeit Lach- oder Heulkrämpfe auszulösen vermag.

„Die Grundsteuer ist fast eine Bagatellsteuer geworden, weil sie seit 30 Jahren nicht reformiert wurde“, weiß Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrums für Verwaltungsforschung KDZ. Anders als die Grunderwerbsteuer muss die Grundsteuer jährlich bezahlt werden und es verwundert schon, dass die Einnahmen aus dieser Steuer den Gemeinden einen jährlichen Klacks „bringen“. 2019 beliefen sich die Einnahmen aus dieser Steuer auf 714 Millionen Euro, was einem BIP-Anteil von 0,18 Prozent oder einem Anteil an den Gemeindeeinnahmen von 2,3 Prozent entsprach. „1975 lag der Anteil am BIP noch bei 0,3 Prozent. Es zeigt sich daher ein deutlicher Bedeutungsverlust, und dies, obwohl die seither steigenden durchschnittlichen Wohnungsgrößen sowie Einwohnerzahlen für einen ständig steigenden Anteil sprechen würden“, hielt KDZ-Expertin Karoline Mitterer in einer Untersuchung aus dem Jahr 2021 fest. Das Lenkungs- und Einnahmen-Potenzial einer durchdachten und unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter durchdeklinierten Grundsteuerreform wäre enorm. Seit über 15 Jahren wird daran gefeilt, seit vielen Jahren liegen richtig gute Reformmodelle am Tisch, doch seit nicht minder vielen Jahren passiert in diesem Bereich genau gar nichts.

Darin, dass eine Grundsteuerreform starkes Thema im Rahmen der Verhandlungen des Finanzausgleichs wird, steckt zumindest eine kleine Hoffnung. Die nun angeheizte Debatte um die Grunderwerbsteuer – ihre Abschaffung oder ihren Ersatz – droht jedoch jene Energien abzuzapfen, die für diese Reformdebatte nötig sind. Sollte dies passieren, dürfen sich weder der Finanzminister noch der Vorarlberger Landeshauptmann großen Beifall erwarten. Letzterer hatte seinen weihnachtlichen Vorstoß folgendermaßen untermauert: „Wir haben einfach unerträglich hohe Preise.“ Damit hat er echt recht.  

 

Faktencheck

Im zweiten Faktencheck zu den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen informiert das KDZ Sie diesmal zur Diskussion rund um die Abschaffung der Grunderwerbsteuer. Den Faktencheck finden Sie hier:

https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog/fag-faktencheck-2-die-abschaffung-der-grunderwerbsteuer-ist-ersatzlos-moeglich