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Prognose der Gemeindefinanzen bis 2026

2023 wird für die Städte und Gemeinden erneut finanziell stark herausfordernd. Ohne Stützung der Liquidität der Gemeinden durch Bund und Länder wird es zu einem markanten Anstieg der Abgangsgemeinden kommen. Mit dem kommunalen Investitionsprogramm 2023 wird ein Beitrag zur Stützung der kommunalen Investitionen geleistet.
Von Peter Biwald, Clemens Hödl

Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose in zwei Varianten zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2026 erstellt. Bei Berücksichtigung der aktuellen Inflationsentwicklung und der Ertragsanteilsprognose des Bundes ist für 2023 mit einem deutlichen Einbruch der Liquidität der Städte und Gemeinden zu rechnen, welche sich bis 2026 nur teilweise erholen wird.
Die aktuelle Entwicklung der Gemeindefinanzen ist wesentlich bestimmt von der Inflationsentwicklung und der Steuerreform des Bundes inkl. Abschaffung der kalten Progression. Die Inflation wird gemäß WIFO-Prognose 2022 um 8,3 Prozent steigen und 2023 nochmals um 6,5 Prozent. Davon betroffen sind die Gemeindeausgaben im laufenden Betrieb (Personal, Energie, Instandhaltung der Gebäude und Straßen, aber auch Verpflegung in den Kindergärten und der Nachmittagsbetreuung), bei den Investitionen (steigender Baukostenindex) wie auch im Sozial- und Gesundheitsbereich.

Die KDZ-Prognose* geht in der Variante 1 davon aus, dass der Überschuss der laufenden/operativen Gebarung nach dem Einbruch 2020 im Jahr 2022 wieder auf das Vor-Krisenniveau steigen wird. Ab 2023 gibt es inflationsbedingt einen starken Rückgang, der bis 2026 unter dem Niveau von 2021/2022 bleibt. Vom Vor-Krisenniveau 2019 bleiben die Gemeinden mit einem um ein Drittel geringeren finanziellen Spielraum weit entfernt.
Variante 2 der Prognose rechnet mit dem Anstieg der Personalaufwendungen und Sozialhilfe- und Krankenanstaltenumlage entsprechend der Inflation und einem Verbleiben der Energiekosten auf einem hohen Niveau. Auch mit diesen Annahmen ist keine Verbesserung der mittelfristigen Lage der Gemeindefinanzen erwartbar. Der Überschuss der laufenden/operativen Gebarung würde bis 2026 auf dem Niveau von 2020 und damit rund 8 Prozent bleiben.  

Steigende Energiepreise und stagnierende Ertragsanteile. 2023 werden die Ausgaben doppelt so stark steigen wie die Einnahmen, wodurch die ohnehin schon angeschlagene Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge zusätzlich unter Druck kommt. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die stark steigenden Energiepreise. 2020 lag der Anteil der Energiekosten am Verwaltungs- und Betriebsaufwand der Gemeinden bei 47 Prozent. Bei einer angenommenen Verdreifachung der Energiepreise binnen zwei Jahren steigt der Anteil auf 70 Prozent.
Gleichzeitig werden die Ertragsanteile, welche knapp 40 Prozent der Einnahmen der Gemeinden ausmachen, 2023 mit voraussichtlich 1,1 Prozent nur geringfügig ansteigen, während inflationsbedingt die Ausgaben kräftig um bis zu 9,5 Prozent steigen. Gründe für die schwache Entwicklung der Ertragsanteile liegen in steuerrechtlichen Maßnahmen des Bundes wie etwa die Abschaffung der kalten Progression, den Teuerungs-Entlastungspaketen und der ökosozialen Steuerreform.

Dies wird noch verschärft, da die Ko-Finanzierungsleistungen der Gemeinden in den Bereichen Gesundheit und Soziales ebenfalls sehr hohe Steigerungsraten aufweisen und daher die finanziellen Spielräume der Gemeinden zur kommunalen Daseinsvorsorge zunehmend sinken. Steigende Zinszahlungen kommen ebenfalls hinzu.


Handlungserfordernisse. Im ‚Fokus‘ sollte stehen, die Anzahl an Abgangsgemeinden möglichst gering zu halten und die Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge abzusichern.

Kurzfristig: Liquidität sichern
Im Jahr 2023 fallen mehrere ungünstige Faktoren zusammen. Insbesondere die hohen Ausgabensteigerungen aufgrund gestiegener Energiepreise und der Inflation sowie die gleichzeitig verhaltene Entwicklung der Ertragsanteile stellt viele Gemeinden vor Herausforderungen. Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen ist zu erwarten, dass ähnlich wie auch 2020 rund ein Drittel der Gemeinden ihren laufenden Betrieb nicht mehr aus eigenen Mitteln decken kann. Da die Betroffenheit der Gemeinden unterschiedlich ist, empfehlen wir eine zweistufige kurzfristige Stärkung der Liquidität:

•    In einem ersten Schritt die Herstellung einer Basis-Liquidität basierend auf den allgemeinen FAG-Schlüsseln.

•    In einem zweiten Schritt eine differenzierte Unterstützung bei erhöhten Aufgabenbedarfen, insbesondere in Zusammenhang mit energieintensiven Infrastrukturen (z.B. Mittelschulen, Hallenbäder, innerstädtischer ÖV).
Mittelfristig: Reformen
Die mittelfristige Prognose der Gemeindefinanzen in den vorliegenden Varianten zeigt, dass keine nachhaltige Erholung der Gemeindefinanzen zu erwarten ist. Hinzu kommen noch hohe Unsicherheiten für die nächsten Jahre. Das KDZ empfiehlt daher grundsätzliche Reformen zur Absicherung der kommunalen Aufgaben. Dies betrifft insbesondere zwei Aspekte: Ein gezielter Fokus sollte auf die Finanzierbarkeit der kommunalen Daseinsvorsorge gelegt werden. Dies hat etwa auch der Fiskalrat in seinen Empfehlungen 2021 betont. Um dies zu erreichen, werden vom KDZ folgende Schritte empfohlen:  

•    Stärkung der Einnahmenpotenziale: Da seit mehreren Jahren ein Trend weg von der Nutzer- hin zur allgemeinen Steuerfinanzierung besteht, bedarf es der Stärkung der Abgabenbasis für die Gemeinden. Dies bedeutet etwa einen klaren Rahmen betreffend der möglichen Gebührenhöhe oder die längst fällige Grundsteuerreform.

•    Kompetenzbereinigungen & Co: Durch Klärung der Kompetenzen, besserer Abstimmung zwischen den Akteuren und Verbesserung der Prozesse sollten Effizienzpotenziale gehoben werden. Würde man etwa bei Ganztagsschulen das pädagogische Personal in einer Hand bei Bund oder Ländern zusammenfassen, würde das nicht nur die Gemeindebudgets entlasten, sondern auch zu mehr Effizienz in der Leistungserbringung und besserer Qualität für die betreuten Kinder führen.

•    Finanzielle Spielräume erhöhen: Es zeigen sich mehrere strukturelle Probleme, welche die finanziellen Spielräume der Gemeinden kontinuierlich schmälern. Insbesondere zu nennen sind die Ko-Finanzierungsverpflichtungen der Gemeinden zum Bereich Soziales und Gesundheit. Hier sind die Gemeinden häufig Mitzahler, jedoch ohne entsprechendes Mitspracherecht. Eine Transferreform würde hier nachhaltig Entlastung bringen.

Ein zweiter Aspekt betrifft die Flexibilisierung des vertikalen Finanzausgleichs. Auf Gemeindeebene bestehen mehrere besonders dynamische Aufgabenbereiche (v.a. Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, öffentlicher Verkehr, Soziales, Gesundheit), während der Finanzausgleich demgegenüber starr ist. Hinzu kommen mit Klimaschutz und Klimawandelanpassung neue Aufgaben mit hohen Investitionsbedarfen, welche im bestehenden Finanzausgleich nicht berücksichtigt sind. Eine stärkere Dynamisierung des Finanzausgleichs – etwa durch regelmäßige Anpassung der vertikalen Schlüssel auf die Gebietskörperschaftsebenen könnte hier Abhilfe schaffen.  

 

* Berücksichtigt sind bisherige Bundesmaßnahmen (Steuerreform, BMF-Ertragsanteile). Die Prognosewerte zur Inflationsentwicklung basieren weitgehend auf Prognosen von WIFO von November 2022. Das Jahr 2022 basiert auf den BMF-Prognosen zu den Ertragsanteilen sowie des WIFO zur Inflationsentwicklung. .