wirtschaft politik service

by-studio - stock.adobe.com

Zwischen Dürre und Flut

Der Klimawandel verändert auch unsere Wasser-Ökosysteme. Während sich österreichische Seen und Flüsse zunehmend erwärmen und niedrigere Wasserstände verzeichnen, werden extreme Hochwasserereignisse mit Überschwemmungen immer häufiger. Was können wir dagegen tun?
Von Tony Bayer

In weiten Bereichen Mitteleuropas hat die Trockenheit des Bodens in den letzten Jahren rasant zugenommen. Trotz seiner großen natürlichen Wasservorkommen bleibt auch Österreich nicht davor verschont. Mittlerweile trocknen lang anhaltende sommerliche Hitzeperioden unsere fruchtbaren Böden derartig aus, dass der Grundwasserspiegel sukzessive sinkt.

Leider – denn bei der Klimawandelanpassung spielen gerade die Grundwasserressourcen als natürliche Wasserspeicher eine immens wichtige Rolle, da sie die Klimaschwankungen über Jahre und Jahrzehnte gut abpuffern. Hinzu kommt, dass vermehrte Stark-regenereignisse häufigere Überlastungen der Kanalnetze und Kläranlagen wahrscheinlicher machen und Niedrigwassersituationen die Binnenschifffahrt und die Kühlwassernutzung von Kraftwerken einschränken können.

Weil der Klimawandel zunehmend unsere Grundwasserressourcen bedroht, müssen diese sowohl quantitativ als auch qualitativ geschützt werden. Quantitativ insofern, als durch die Auswirkungen des Klimawandels die verfügbaren Grundwasserressourcen in Österreich laut einer aktuellen Studie bis 2050 um bis zu 23 % von derzeit 5,1 auf 3,9 Milliarden Kubikmeter abnehmen könnten. „Die Klimakrise mit ihren Wetterextremen und Trockenperioden liegt nicht in der Zukunft – sie ist bereits da und dort deutlich spürbar. Regional und saisonal haben wir in Österreich in den letzten Jahren bereits Engpässe erlebt“, sagt Wolfgang Nöstlinger, Vizepräsident der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW).

Urbane Ballungsräume als Herausforderung. Die Einwohnerdichte ist in Städten bekanntlich besonders hoch. Im Vergleich zu ländlichen Regionen ist hier der Wasserverbrauch sowie die Menge an Abwasser deutlich höher, wodurch das Risiko von Wasserknappheit steigt. Zugleich sind in Städten sehr viele versiegelte Flächen vorhanden. Ein hoher Verbrauch trifft an diesen Standorten also auf eine besonders ineffiziente Nutzung von Regenwasser. Diese Doppelwirkung ist noch herausfordernder in Entwicklungsländern, wo die Landflucht dafür sorgt, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen.
„Nachhaltiges Wassermanagement ist deshalb ein immer wichtiger werdendes Konzept zum Schutz der Umwelt, Natur und Bevölkerung. Es bedeutet, Wasserressourcen mithilfe von technischen und baulichen Maßnahmen und Verfahren so effizient wie möglich zu nutzen“, erklärt Thomas Fleischanderl, Leiter der Business Unit Umweltschutz des TÜV AUSTRIA. Neue und innovative Methoden zur Gewässerbewirtschaftung sowie eine zukunftsfähige Wasserstrategie zu entwickeln, ist jedoch keine alleinige kommunale Aufgabe. Bund, Länder, Kommunen, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Industrie und auch die Bürgerinnen und Bürger müssen bei dieser Herkulesaufgabe gemeinsam und solidarisch zusammenwirken.

Maßnahmen gegen den Klimawandel gesucht. Der Aufbau von hydrologischen und meteorologischen Messnetzen sowie die Entwicklung von Wassernutzungsplänen sollen dabei helfen, die Wasserressourcen optimal zu nutzen und Reserven für Klima- und Katastrophenvorsorge einzuplanen. Die erfolgversprechendsten Maßnahmen der Klimaanpassung sehen Experten vor allem in der Verringerung von Wasserverlusten in der Siedlungswasserwirtschaft, im Bau von Entsorgungssystemen und Kläranlagen, die auch bei Hochwasser nicht versagen, in der Stadtentwässerung, im Aufbau von Frühwarnsystemen, in der Wiederverwendung von geklärten Abwässern in der Landwirtschaft und in der Errichtung natürlicher und künstlicher Wasserspeicher. Dazu zählen Feuchtgebiete, Grünanlagen, begrünte Dächer und Fassaden sowie Teiche, Seen und Kanäle, die als klassische Wasserrückhaltesysteme noch immer den besten Schutz vor Dürre und Hochwasser garantieren.

Intelligentes Abwasser- und Regenwassermanagement. Konsequenterweise sollte in Zukunft auch der Einsatz beziehungsweise die Verwendung von reinem Trinkwasser neu überdacht werden. So können z.B. Toilettenspülungen heute problemlos mit gereinigtem Abwasser genutzt werden oder mit gesammeltem Regenwasser, das nicht in Abwasserkanälen verschwindet, sondern intelligent aufgefangen wird. Auch durch die Entsiegelung weiterer Flächen und deren Abkopplung vom Kanalnetz kann mehr Regenwasser vor Ort dem natürlichen Wasserhaushalt zugeführt werden. Die Grundwasseranreicherung wäre dadurch gewährleistet und würde auch zur innerstädtischen Bewässerung von Grünanlagen zur Verfügung stehen. Ein weiterer Baustein der Klimaanpassung, der die Lebensqualität in aufgeheizten urbanen Räumen fördert.

Blau-grüne Quartiersentwicklung in Leipzig. Wie ein klimaangepasstes Wasser- und Energiemanagement für ein deutsches Stadtquartier gestaltet werden kann, demonstriert das aktuelle Beispiel des „Quartiers Leipzig 416“. Die lokalen Stadtplaner versuchen dabei in enger Kooperation mit dem Stuttgarter Fraunhofer-Institut IGB, Regen aus Starkregenereignissen nicht über die Kanalisation zu verlieren, sondern durch blau-grüne Infrastrukturen zu speichern. Zum Beispiel über Baumrigolen, die Regenwasser aufgrund eines speziellen Substrats zurückhalten und Kläranlagen bei Starkregen entlasten, oder über Gründächer für Carports.
„Wir gehen in diesem Projekt vor allem der Frage nach, wie die blau-grünen Technologien gleichermaßen robust und effizient gesteuert werden können. Dafür werden bereits erfasste Daten wie Füllstände und Wasserqualitäten von im urbanen Raum gespeichertem Wasser mit extern verfügbaren Daten, wie z.B. Wettervorhersagen, zusammengeführt“, erzählt Christiane Chaumette, die beim Fraunhofer-Institut IGB das Themenfeld Wasser- und Abwasseraufbereitung leitet. Mittels einer intelligenten Steuerung könnte eine innovative Systemarchitektur dann sofort die notwendigen Aktionen einleiten: Droht etwa Starkregen, werden Wasserspeicher schneller entleert, bei bevorstehender Trockenheit werden sie langsamer bzw. gar nicht entleert. Das noch bis September 2022 laufende Projekt kann damit zukunftsfähige Modelllösungen für andere städtebauliche Projekte liefern, die sich ebenfalls proaktiv den Herausforderungen des Klimawandels stellen wollen.    

 

Buchtipp:

Handbuch Wasserrecht

Autoren:
Gerhard Braumüller,
Christina Gruber
Linde Verlag

ISBN: 978-3-7073-1327-7
Preis: 192

Der Klassiker zum Wasserrecht liegt nun – umfassend überarbeitet und aktualisiert – in 2. Auflage vor. Das „Handbuch Wasserrecht“ bietet einen aktuellen und systematischen Überblick über das Wasserrechtsgesetz 1959 inklusive Nebengesetzen mit vielen neuen Anmerkungen.

Das Werk bietet sowohl Behörden, Rechtsanwälten, Richtern, Sachverständigen als auch Praktikern in Wirtschaft und Verwaltung einen praxisorientierten und detaillierten Überblick über das Wasserrecht und die dazu ergangene Rechtsprechung. Insbesondere die vollständige und systematische Erfassung der höchstgerichtlichen Judikatur und die ausführlichen Leitsätze, die oft auch zeigen, welcher Sachverhalt dafür maßgeblich war, machen das „Handbuch Wasserrecht“ für jeden mit der Materie befassten Praktiker unentbehrlich!