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Lothar Prokop

Nachhaltiges Konzept in historischem Rahmen

Schon von außen besticht das im 15. Jahrhundert erbaute Hofmann-Haus, eine ehemalige Zinngießerei im oberösterreichischen Ried im Innkreis, mit antikem Charme. Betritt man die im Sommer 2021 eröffnete „Gießerei“, wirkt die smarte Kombination aus zeitgemäßer Sanierung, nachhaltigem Design und regional produzierten Produkten auch innen wie aus einem Guss. Von Tony Bayer

Seine Wiedergeburt verdankt dieses neue „Haus der Nachhaltigkeit und Regionalität“ dem Verein TRAFOS, welcher sich der Förderung nachhaltiger Lebensstile in der Region Innviertel verschrieben hat. Und nach drei Jahren visionärer Planung, harter Arbeit und enormer Einsatzfreude der rund 70 Vereinsmitglieder und Genossenschafter gilt es mittlerweile als stolzes Vorzeigeprojekt, wenn es um eine bautechnisch herausfordernde Sanierung eines historischen Altbaus geht. „Das Haus verfügt über eine Nutzfläche von ca. 750 m2 und wurde von den meisten Immobilien-Entwicklern und Bauexperten lange Zeit als abbruchreif eingestuft. Weder die Raumhöhe noch die Elektro- und Sanitärausstattung entsprachen auch nur annähernd gängigen Normen. Trotz dieser technischen Widrigkeiten hat sich die Planungsgruppe nach längerem Überlegen unter Einbeziehung von Prämissen der Nachhaltigkeit und Erhaltung des baukulturellen Erbes dazu entschlossen, das bestehende Gebäude zu sanieren und eine gute Kombination aus traditioneller Bausubstanz und modernem Ausbau zu realisieren“, berichtet Karl Weilhartner, Obmann-Stellvertreter der TRAFOS.

Nachhaltigkeit liegt voll im Trend. Für die innenarchitektonische Umsetzung der insgesamt 3 Stockwerke wurden Verena Waidmann und Lukas Gstöttner vom Wiener Designstudio bonpart beauftragt. „Da die Gießerei als ‚Haus der Nachhaltigkeit‘ geplant war, sollte auch die Einrichtung eine zukunftsweisende und möglichst innovative Interpretation des Themas sein. Statt eines plakativen Öko-Looks haben wir daher bei der Gestaltung gezielt auf Modernität, Hochwertigkeit und Gemütlichkeit gesetzt, um möglichst viele Menschen anzusprechen und für das Thema zu begeistern“, erzählen die beiden jungen Innenarchitekten. „Als Produktdesigner sehen wir auch international einen eindeutigen Trend, der uns Mut macht: In Zukunft werden immer mehr Dinge existieren, denen man ihre inneren Werte bzw. ihre Nachhaltigkeit nicht mehr auf den ersten Blick ansieht. Der neue ökologische Standard wird dann zur Normalität werden – denn Nachhaltigkeit ist gerade dabei, sich endgültig von einem Nischenthema wegzubewegen.“
Wohlfühlambiente für Besucher. Ein besonderes Highlight ist das Café im ersten Stock des Gebäudes, dessen historische Dachbalken dem Raum einen überaus freundlichen Charme verleihen. Die sog. „Kaffeekocherei“ nimmt gut die Hälfte des ersten Stockwerks ein und ist in modernem Industrial Design mit viel Metall eingerichtet, das perfekt zu den uralten Tramdecken passt. Die Sessel präsentieren sich in warmen Gelbtönen, hohe Tische in der Mitte und niedrigere Tische am Rand schaffen eine angenehme Wohlfühlatmosphäre. Perfekt für eine wohlverdiente Pause mit biologischen und fair gehandelten Kaffeespezialitäten oder einem gesunden Mittagssnack. Weil man in der Kaffeekocherei großen Wert auf Regionalität legt, enthält die Getränkekarte auch eine beachtliche Auswahl an lokal produzierten Kräutertee-Mischungen, aber auch ungewöhnliche Latte-Varianten wie Rote-Rüben-Latte oder Ingwer-Kurkuma-Latte. Beides mit Hafermilch gemacht und somit auch für Veganer geeignet. Sitzt man auf einem der dunklen Holzstühle oder modernen Barhocker, kann man den Blick von den historischen Rundfenstern entspannt über die Gassen der Rieder Innenstadt schweifen lassen.

Gastronomie und Shop ergänzen einander. Direkt an das Café angrenzend befindet sich ein kleiner Shop („Marktplatz“) mit regionalen Köstlichkeiten und jede Menge nachhaltiger Produkte – angefangen von Geschirr über Kleidung bis hin zu Lebensmitteln und Getränken, Kosmetik, Schmuck und Kunsthandwerk. Kriterien wie nachhaltige Materialien, Langlebigkeit, faire Preise, Regionalität, Ressourcenschonung und Sinnhaftigkeit bestimmen dabei die Auswahl und Gestaltung des Sortiments. „Eine Besonderheit ist das Ineinanderfließen der Nutzungsbereiche und -konzepte wie Gastro und Shop. Im Zuge der Planung haben wir darauf geachtet, dass sich die Bereiche positiv ergänzen und es nicht zu Konflikten der verschiedenen Bedürfnisse kommt“, betont Waidmann. Verlässt man den Café-Bereich und steigt über die aus einer massiven regionalen Esche hergestellte Holztreppe nach oben, erreicht man das Dachgeschoss, in welchem sich moderne Co-Working-Plätze und ein eigener Bereich für Veranstaltungen und Tagungen befinden.

Arbeitsplatz und Eventlocation unter einem Dach. Der Co-Working-Bereich und eine kleine Bi-bliothek befinden sich direkt unter dem historischen Dachstuhl. Gestalterisch vereint die ungewöhnliche Fusion aus modernen, hellen Arbeitsplätzen und dem jahrhundertealten Gebälk das Beste aus zwei Welten. „Die architektonischen Elemente wie der neue, gewachste Betonboden und die Holzbalken, die im Zuge der Sanierung auf Metallsteher gestützt wurden, sorgen für eine besonders luftig-leichte Atmosphäre. Der Raum teilt sich durch eine Glaswand mit Schiebetüren in Co-Working und Veranstaltungsbereich. Prägend für dieses Stockwerk sind auch die beiden Atrien mit Glasbrüstung und eine schwebende, organisch geformte Lichtskulptur im Dachstuhl“, erklärt bonpart-Designer Lukas Gstöttner. Ganz oben wurde übrigens auch mit der japanischen Reparaturtechnik ‚Kintsugi‘ experimentiert. „Wir haben ganz bewusst versucht, alte Schadstellen nicht zu verdecken und zu verstecken, sondern sie gekonnt mit edlen Materialien zu reparieren.“ So gesehen verwundert es nicht, dass dieses einzigartige Revitalisierungsbeispiel aus Oberösterreich kürzlich sogar vom Bundesdenkmalamt als Vorzeigeprojekt gewürdigt wurde.


Weitere Informationen

Der 2018 gegründete Verein TRAFOS (Transparent, Regional, Authentisch, Fair, Oekologisch, Solidarisch) dient der Förderung nachhaltiger Lebensstile in der Region Ried. Oberstes Ziel ist die Information und Vernetzung von nachhaltig orientierten Menschen, Organisationen und Unternehmen.

» www.nachhaltig-im-innviertel.at