wirtschaft politik service

kaninstudio - stock.adobe.com

Auf Spurensuche im Abwasser

Das Abwasser ist ein Spiegel unserer Zivilisation. Arzneimittelrückstände lassen sich dort ebenso finden wie Stoffe aus der Landbewirtschaftung oder Corona-Viren. Das Umweltbundesamt ist diesen Stoffen mit dem Indikatorentest für kommunale Verunreinigungen und im Projekt Coron-A auf der Spur.

Alle Abwasserwege führen in die Kläranlage. Aber nicht nur die des Wassers – dort münden auch Arzneimittel, Industriechemikalien, Zuckerersatzstoffe und vieles mehr. Was in der Toilette oder im Abfluss landet, durchläuft mehrere aufwändige Reinigungsstufen, in denen viele, aber eben nicht alle Schadstoffe herausgefiltert werden. Auch nicht in Österreich, wo die Abwasserreinigung, auch im internationalen Vergleich, ein sehr hohes Qualitätsniveau erreicht.

Das Umweltbundesamt kann minimale Spuren dieser Schadstoffe mit dem Indikatorentest für kommunale Verunreinigungen nachweisen. Dabei haben die ExpertInnen Leitsubstanzen im Visier, die in der Regel im kommunalen Abwasser vorkommen. Von Antibiotika über Herbizide bis hin zu Korrosionsschutz - der Indikatorentest schafft Klarheit, ob und womit in weiterer Folge Grund- und Oberflächenwasser belastet sein können.
Zu den internationalen Vorreitern zählt Österreich bei der Entwicklung eines Analyseverfahrens, mit dem Corona-Viren im Abwasser nachgewiesen werden können. ExpertInnen aus unterschiedlichen Institutionen entwickeln, koordiniert vom Umweltbundesamt, im Auftrag von Bund, Ländern und Städtebund seit dem Frühjahr 2020 eine Vorgangsweise für Probenahme, Lagerung, Transport, Aufbereitung und Analyse von Proben aus Kläranlagen. Gleichzeitig forschen sie am Verhalten der Viren im Abwasser und arbeiten an EDV-Lösungen für die rasche Auswertung und Aufbereitung der Daten zu brauchbaren Informationen für die zuständigen Behörden.

Dafür wurde eigens ein statistisches Prognosesystem entwickelt. Ziel ist, die Grundlagen für ein nationales Abwassermonitoring auszuarbeiten, das die Überwachung der gegenwärtigen Pandemie unterstützt. Dieses Monitoring kann bei zukünftigen Krisen als Frühwarnsystem und für die Entwarnung genutzt werden.

Schneller als die klinische Diagnostik. In den letzten Monaten konnten die WissenschafterInnen belegen, dass die von ihnen entwickelte Methode zum Corona-Nachweis in Abwasserproben in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann. Mittlerweile sind die Arbeitsabläufe etabliert und die Tauglichkeit für ein Monitoring konnte aufgrund der Übereinstimmung von Trends der Virenbelastung mit aktuellen Fallzahlen demonstriert werden: Im Abwasser waren die Neuinfektionen 3-7 Tage früher als in der klinischen Diagnostik bzw. in den gemeldeten Zahlen zu sehen.
Derzeit befinden sich im Rahmen des Coron-A Projektes 33 ausgewählte Kläranlagen aus allen Bundesländern überblicksweise unter Beobachtung. Auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse wird auf Hochtouren an einem Konzept zur Nutzung der abwasserepidemiologischen Daten für ein Frühwarn- und Entwarnungssystem gearbeitet.

Ergebnisse im Klick. Die bisherigen Projektergebnisse sind auf der Projekt-Website unter https://www.coron-a.at/ dargestellt. Ein Dashboard zeigt, wo die mehr als 2.200 bisher analysierten Proben gezogen wurden. Die Heatmap zeigt die Covid-19-Lage seit Juli 2020, wie sich die Virenkonzentration im Zulauf von Kläranlagen über die Zeit verändert.

Fließende Weiterentwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, konnte gezeigt werden, dass das Sequenzieren des genetischen Codes des Covid-19 Erregers, und damit eine Mutationsanalyse, auch in Abwasserproben möglich ist. Der Vorteil der Abwasserprobe, den Querschnitt der Bevölkerung im Einzugsgebiet mit einer einzelnen Probe darzustellen, kann größtenteils auch auf Sequenzdaten umgelegt werden.
Durch die Bereitstellung von aufbereiteten Abwasserproben kann das Coron-A Projekt einen wichtigen Beitrag zur österreichweiten Sequenzier-Strategie, auf der Suche nach neuen Mutationen bzw. Virus-Linien und deren Ausbreitung, leisten. Dafür können ForscherInnen die Infrastruktur des Coron-A Netzwerkes und Proben aus dem Projekt nutzen.

Am Ende des Rohrs. Österreichs Kommunen sind europaweit Vorbilder in der Abwasserreinigung. Nährstoffe wie Kohlenstoff und Stickstoff werden durch eine biologische Reinigung entfernt. In weiteren Reinigungsstufen wird eine Vielzahl von Chemikalien aus Haushalten, Gewerbe und Industrie abgebaut. Mikroorganismen im Abwasser werden in den Kläranlagen fast vollständig abgebaut. Österreich erfüllt damit die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser zu 100 %.

Da aber zunehmend Stoffe im Abwasser landen, die schwer zu filtern sind, gilt es, bestehenden Kläranlagen und Kanäle in Stand zu halten und, wo notwendig, neue zu bauen. Neue Verfahren garantieren, dass auch weiterhin Stoffe wie Arzneimittel, Chemikalien, Antibiotikaresistenzen, Mikroplastik, Nanomaterialien und Krankheitserreger aus dem Abwasser gefiltert werden. So wird eine zukunftsfähige In-frastruktur gesichert, die der nächsten Generation noch nützt.

 

Coron-A

Das Forschungsprojekt Coron-A bündelt die österreichische Expertise aus Abwasserepidemiologie, -mikrobiologie und -molekularbiologie. Ermöglicht wird das Forschungsvorhaben, das vom Umweltbundesamt koordiniert wird, durch finanzielle Mittel des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung und durch finanzielle Beteiligung der Bundesländer Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg sowie des Österreichischen Städtebundes. Forschungspartner sind die Universität Innsbruck, die Medizinische Universität Innsbruck, die Technische Universität Wien und die AGES - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit.


UMWELTZEICHEN
Experten des Umweltbundesamts beleuchten in Kooperation mit public aktuelle Umweltthemen

Autor: Robert Konecny,
Experte für Oberflächengewässer im Umweltbundesamt