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Rauchverbot – eine politische Farce!

Mit 1. November 2019 wurde der Zigarettenrauch endgültig aus Österreichs Lokalen verbannt. Das ist fein. Den Shisha-Bars raubt das undifferenzierte Gesetz en passant die Existenzgrundlage. Das ist knallhart. Und durch die Gleichstellung der Tabak-Zigaretten mit den E-Zigaretten arbeitet der Gesetzgeber auch noch den Pharmariesen in die Hände. Das ist jedenfalls fragwürdig. Oder dumm.
Von Alexandra Keller

Dass die Lacher und der Applaus so erwartbar waren, ist peinlich und spricht Bände. Im Rahmen des österreichischen CSR-Tages, der im Oktober 2019 im großen Saal der Wirtschaftskammer Tirol in Innsbruck stattfand, zeigte sich die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe durchaus (selbst-)kritisch gegenüber den Gesetzgebern, die sich in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert hatten, wenn es um die Anwendungsfreundlichkeit von Gesetzen ging. Felipe nahm ihre Zunft in die Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen, auf die man sich verlassen kann, die Rechtssicherheit garantieren und nicht im nächsten Moment von einem der Gerichtshöfe gekippt werden. Vor dem Hintergrund forderte sie, dass sich die Politiker bei Veränderungen, die sie beschließen, „eine Runde mehr Zeit“ nehmen sollten, „um darüber nachzudenken und rückzusprechen, ob das machbar und tragfähig“ sei. Felipe stellte zudem fest: „Ich wünsche mir, dass Politiker nicht immer nur Medienbriefings lesen, sondern vielleicht auch mal ein Buch.“ Hier setzte der erwartbare Applaus ein im Saal. Und es wurde gelacht. Wohl, weil so  manchen Österreicherinnen und Österreichern angesichts neuer Gesetze das Lachen im Halse stecken bleibt.

Jahrelanges hin und her. Auch dem Rauchverbot, das seit 1. November 2019 in den österreichischen Lokalen gilt, liegt keine wirklich amüsante Dramaturgie zugrunde, selbst wenn sich der österreichische Gesetzgeber dafür mehrere Runden Zeit nahm. Die Zeit wurde halt nicht genutzt, um sich eingehender mit der Thematik zu befassen, Studien zu lesen, den Hausverstand zu wecken und vielleicht ein besseres oder differenzierteres Gesetz zu erschaffen, das möglicherweise den von Felipe genannten Ansprüchen gerecht werden würde.
Die türkis-blaue Koalition hatte gleich nach ihrem Amtsantritt das für Mai 2018 geplante Rauchverbot in Lokalen gekippt. Nachdem sich die Koalition im Mai 2019 in den Rauchwolken von Ibiza aufgelöst hatte, stimmte die ÖVP in der Juli-Sitzung des Nationalrates dann für die Einführung des kompletten Rauchverbotes. „Die unvermittelte gesetzliche Änderung trifft tausende österreichische Gastronomie-Betriebe hart und verschärft die prekäre Situation, vor allem in ländlichen Regionen und der Nachtgastronomie“, kommentierte Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich, den Beschluss des Nationalrates, bei dem die Post-Ibiza-FPÖ dem ehemaligen Koalitionspartner insofern in die Parade gefahren war, als dass ihre Abgeordneten gegen einen Abänderungsantrag stimmten, den sie selbst mitkonzipiert hatten. Dieser Antrag hätte den betroffenen Unternehmen Entschädigungen in Form einer steuerlichen Prämie und flankierende Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Einbußen garantiert.

Keine Einigung für Sonderregelungen. Mitte September 2019 sprach sich die WKO für eine Sonderregelung aus, die – ähnlich wie in Italien oder teils auch in Deutschland – abgetrennte Raucherräume ermöglicht und verwies in dem Zusammenhang auf den strengen österreichischen Anrainerschutz. Wer rauchen will, muss seit 1. November 2019 vor die Tür gehen, und wird vor der Tür des Gastronomie-Betriebes Lärm verursacht, kann dafür der Lokalbesitzer haftbar gemacht werden. Vor dem Hintergrund hat Mario Pulker einen Wunsch an die, wie auch immer gefärbte, neue Bundesregierung: „Der größte unmittelbare Handlungsbedarf besteht bei der drohenden Anrainerproblematik. Emissionen von Gästen dürfen nicht den Betreibern zugerechnet werden.“
Auch Christoph Matznetter, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes und Wirtschaftssprecher der SPÖ im Parlament, sieht sich als Vertreter der gastgebenden KMU im Land und hält fest: „Das Rauchverbot ist ein wichtiger Schritt für die Gesundheit unserer Bevölkerung. Die Unternehmerinnen und Unternehmer verdienen daher eine bestmögliche Unterstützung bei der Umsetzung in ihren Betrieben. Ich persönlich werde mich auch dafür einsetzen, dass nicht nur die Gastronomie allgemein eine finanzielle Hilfe für den Umbau ihrer Gaststätten erhält, sondern dass auch die Shisha-Bars eine Entschädigung für die faktische Enteignung bekommen.“
Matznetter spricht damit jene gastronomische Nische an, die vom grenzenlos undifferenzierten Zugang des Gesetzgebers „zum Rauch“ am härtesten betroffen ist. Shishas sind Wasserpfeifen und diese Art des Dampfens ist die einzige Geschäftsgrundlage für die rund 500 Shisha-Bars in Österreich. Weil das Rauchverbot keinen Unterschied macht zwischen dem Rauch einer Zigarette und dem Dampf einer Shisha, mussten die Shisha-Bars Anfang November entweder geschwind auf ein anderes Geschäftsmodell umsatteln oder ihre Türen komplett schließen. Der Dampf einer Wasserpfeife hat mit dem Rauch einer Tabakzigarette genauso wenig zu tun, wie der Dampf, der einer E-Zigarette entweicht. Doch auch hier zeigte sich der Gesetzgeber gnadenlos ignorant, indem er alle Rauch- und Dampfarten in einen Topf warf. Mit der Gleichstellung des Tabakrauchens- und des E-Zigarettendampfens verteufelte der österreichische Gesetzgeber nicht nur eine vergleichsweise harmlose Alternative, sondern befeuerte zudem eine Diskussion, die seit Sommer 2019 wie ein Hollywood-Krimi aus den USA nach Europa schwappte und alle Zutaten einer satten Verschwörung in sich trägt.

Drogenmissbrauch in den USA. In den Horrormeldungen, die sich wie Lauffeuer in den Medien und vor allem „im Internet“ verbreiteten, war davon zu lesen, dass in den USA die Zahl der Todesfälle, die mit dem Dampfen von E-Zigaretten in Verbindung gebracht werden, „drastisch“ gestiegen sei.
Erst war von sieben Todesopfern die Rede, zwischenzeitlich wird von bis zu 39 Toten gesprochen und der gesellschaftliche wie auch gesetzliche Furor, den diese Todesfälle in den USA und Europa auslösten, muss gezwungenermaßen als surreal bezeichnet werden. Todesursachen zu vergleichen, mag zwar genauso unschön sein wie Todeszahlen in Relation zu stellen, doch sterben allein in Deutschland weit über 100.000 Menschen zu früh an den Folgen der Tabaksucht. Jährlich.

E-Zigaretten verdampfen Flüssigkeiten, sogenannte Liquids. Bei den Liquids, welche die Todesopfer in den USA gedampft hatten, handelte es sich um illegal auf dem Schwarzmarkt erworbene „gepanschte“ THC-Liquids, welche mit Vitamin-E-Azetat versetzt wurden. In den USA können THC-Liquids ganz legal gekauft werden, etwa zur Bekämpfung von Migräne-Attacken. Diese THC-Liquids haben ihre Wirkung, doch sind sie relativ teuer, weswegen billigere Alternativen auf der Straße gehandelt werden.
Dort wird die Geschichte schon ein bisschen dubioser und bekommt auch einen Touch von Drogenmissbrauch – auch, weil die außerhalb der kontrollierten Shops gehandelten Liquids illegal hergestellt werden. Untersuchungen haben ergeben, dass die Todesopfer und jene Patienten, die seit dem Dampfen der gepanschten Liquids unter Lungenkrankheiten leiden, an Zusätzen erkrankten, die zum Strecken der Flüssigkeiten verwendet wurden. Was genau passiert ist, ist nicht ganz klar, eines aber schon: Herkömmliche Liquids sind nicht schuld – weder an den Erkrankungen an sich noch an jenen mit Todesfolge. Trotzdem wurden alle Liquids verteufelt und zugleich alles, was mit dem Dampfen von E-Zigaretten zusammenhängt, dämonisiert. Einzelne US-Bundesstaaten preschten vor, indem sie den Verkauf vom aromatisierten Liquids verboten haben, Präsidentengattin Melania Trump sprach im Zusammenhang mit den E-Zigaretten von einer „wachsenden Epidemie“ und die US-Regierung setzte es sich zum Ziel, die Liquids landesweit zu verbieten.

Mediale Panikmache. Es dauerte nicht lange, bis diese absurde Welle die ganze Welt erfasste. Auch Österreich, wo die Medien nicht müde wurden, den knackigen Horrorhappen aufzugreifen und unreflektiert wiederzukäuen. Und selbstverständlich auch Deutschland, wo zwei Millionen von den weltweit 50 Millionen E-Zigarettennutzern zu Hause sind, und wo die Berichterstattung über die Todesfälle in den USA die E-Zigaretten-Umsätze massiv einbrechen ließ. Das Bündnis für tabakfreien Genuss (BfTG) hatte im Oktober 2019 das Ergebnis einer Umfrage unter über 600 Unternehmen veröffentlicht. Mehr als die Hälfte der Händler hatte angegeben, Umsatzrückgänge von 30 bis 40 Prozent, fast ein Fünftel sogar Einbußen von mehr als 50 Prozent festgestellt zu haben.

Dass nicht wenige Dampfer angesichts der ständig wiederholten Horrorgeschichten wieder zur Tabakzigarette zurückgreifen, ist vielleicht die fatalste Folge des medialen Irrsinns. Aber die Branche vermisst auch die bisher hohe Zahl an Umsteigern und das ist aus gesundheitlicher Sicht schade. Immerhin gilt die E-Zigarette als einer der wirkungsvollsten Wege, erst der Tabak- und dann der Rauchsucht zu entkommen. Laut einer Schätzung der staatlichen britischen Gesundheitsbehörde Public Health England ist das Dampfen um mindestens 95 Prozent weniger schädlich als das Rauchen von Tabakzigaretten. Fakten wie diese hatten in der stark geschürten Verunsicherung keinen Platz.

Mit den Tabakriesen ist ein Nutznießer des haltlosen Furors leicht auszumachen. Doch nicht nur die Tabakkonzerne dürfen sich angesichts der Dampfer-Hatz die Hände reiben. Vor allem die Pharmaindustrie jubelt.
Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete Ende August 2019 Abschreckendes aus dem Nähkästchen dieser stets gewinnmaximierenden und massiv lobbyierenden Branche. So wurde berichtet, dass der US-Konzern Pfizer das vermeintlich noble „Aktionsbündnis Nichtrauchen“, in dem sich große deutsche Institutionen, wie die Bundesärztekammer, das Deutsche Krebsforschungszentrum oder medizinische Fachgesellschaften zum gemeinsamen Kampf gegen die Tabaksucht vereint haben, sattsam unterstützt hat. Finanziell selbstverständlich. Wer sich zuvor darüber wunderte, dass das Aktionsbündnis Nichtrauchen die E-Zigaretten derart verteufelt, wundert sich seit dem Spiegel-Bericht nicht mehr darüber.

Wem nützt es? Nikotinersatz-Produkte sind ein milliardenschwerer Markt. Pfizer stellt beispielsweise das Medikament Champix her, das gegen Nikotinsucht wirken soll, und setzt damit– laut Spiegel – über eine Milliarde Euro pro Jahr um. Mehr als mit Viagra. Weltweit rauchen rund eine Milliarde Menschen. Der Markt ist ein pharmazeutisches Schlaraffenland, doch die E-Zigaretten funkten den Pharmariesen gehörig rein. „In Deutschland ist die E-Zigarette inzwischen das meistgenutzte Hilfsmittel bei der Tabakentwöhnung“, stellt das Nachrichtenmagazin fest und ergänzt: „Obendrein hilft das Dampfen, wie sich jetzt zeigt, fast doppelt so gut beim Ausstieg aus dem Tabakkonsum.“ Diese Aussage wird mit einer britischen Studie unter Leitung des Suchtforschers Peter Hajek untermauert, die in dem Zusammenhang als Meilenstein gilt. Weil sie die vergleichsweise schwache Wirkung der Nikotinersatz-Medikamente aufzeigt und die weitaus wirksamere Hilfestellung der E-Zigaretten beim Abschied von der Sucht hervorhebt. Trotz all dieser wissenschaftlichen Fakten, deren gesundheitspolitische Relevanz enorm ist, hat die irrwitzige Kampagne gegen die E-Zigaretten voll eingeschlagen. Laut einer aktuellen Umfrage des Münchner Instituts für Therapieforschung sind 55 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass Dampfen mindestens so schädlich ist wie Tabakrauchen.

Die Geschichte liefert reichlich Futter für Verschwörungstheorien. Die Antwort auf die Frage „Wem nützt es?“ dürfte eine recht gute Orientierungshilfe sein. Nur zögerlich wird ein Umdenken bemerkbar. So haben Ende Oktober 2019 österreichische Gesundheitsexperten eine Lanze für E-Zigaretten gebrochen und dabei betont, dass sie in den Dampf-Produkten große Chancen für die Gesundheitspolitik sehen. Weil E-Zigaretten dabei helfen können, mit dem Rauchen aufzuhören. „Derzeit läuft alles über Panikmache. Was in Amerika war, gibt es in Österreich nicht“, wurde beispielsweise Sozialmediziner Michael Kunze in der Tiroler Tageszeitung zitiert – drei Tage bevor das Rauchverbot in Kraft trat. Ein undifferenziertes Verbot, mit dem der österreichische Gesetzgeber Schützenhilfe für jene geleistet hat, die von der Verteufelung der E-Zigaretten profitieren. Applaus gibt es keinen dafür. Und gelacht wird auch nicht.